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Unter dem Eis

Unter dem Eis

Titel: Unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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bringt. Ein türkisfarbenes Meer, das ein Süßwassersee ist. Rotäugige Vögel, die wie Geister schreien und verschwinden. Ein Mann, der auch etwas anderes ist, als sie in ihm zu sehen glaubte.
    Ich glaube nicht, dass Becker ein Mörder ist, hat Judith zu Margery gesagt. – Mach dich doch nicht lächerlich. – Ich glaube es einfach nicht. – Hast du was mit ihm?
    Aber das hat Judith verleugnet, damit Margery sie nicht für befangen erklären kann.
    Sie steckt die Pistole ins Halfter. Auch dieses Gewicht an ihrem Gürtel ist beides: vertraut und fremd. Sie bestellt einen Wagen im Fuhrpark und geht zum Aufzug. Wenn sie noch länger am Schreibtisch sitzt, wird sie verrückt.

    Ein Geräusch. Ein Klingeln. Vielleicht täuscht sie sich auch. Nein. Barabbas wittert und blafft.
    »Ruhig, mein Guter.« Elisabeth krault ihn. »Hier passiert uns nichts.« Mit einem Seufzer legt der Schäferhund den Kopf auf ihr Knie. Wieder das Klingeln, länger diesmal, dennoch entfernt. Barabbas spitzt die Ohren, entspannt sich wieder. Ich will nicht, denkt Elisabeth. Will nicht und muss nicht.
    Der Tag ist vorangeschritten. Über Mittag ist sie ins Haus gegangen und hat ein bisschen geschlafen. Jetzt sitzt sie wieder unter dem Kirschbaum im Garten. Sieht den Amseln zu. Beobachtet die Wolken. Weiß, dass der Frieden trügerisch ist, und klammert sich trotzdem daran. Elisabeth schließt die Augen, versinkt in Erinnerungen, die hell sind und schön. Sekunden, Minuten, sie kann es nicht sagen.
    »Ruhig«, sagt sie automatisch, als Barabbas erneut zu knurren beginnt. Doch diesmal lässt ihr Hund sich nicht beschwichtigen. Rappelt sich auf, läuft fort von ihr, bellt.
    Angst springt sie an, das Gefühl, beobachtet zu werden. Elisabeth stemmt sich auf die Füße, tastet nach dem Baumstamm, stützt sich dagegen, bis der Schwindel nachlässt. Wo ist Barabbas? Dort. Sitzt vor dem Zaun zum verlassenen Nachbargarten und knurrt.
    Schritt für Schritt geht Elisabeth über das Gras. Jemand steht hinter dem Zaun, erkennt sie jetzt. Steht da und sieht zu ihr herüber, wer weiß, wie lange schon. Panisch sieht sie sich nach einer Waffe um, aber es gibt keine mehr. Die Polizei hat Hacke und Spaten mitgenommen.
    »Frau Vogt?« Wie durch Watte dringt ihr Name zu ihr durch. »Frau Vogt? Entschuldigen Sie, dass ich hier so reinplatze, aber ich hatte geklingelt …«
    Eine Frauenstimme. Eine junge Frau in seltsam ausgebeulten Hosen mit aufgenähten Taschen, wie sie jetzt wohl modern sind. Elisabeths Erleichterung verfliegt, als die Fremde weiterspricht.
    »Könnten Sie mich bitte hereinlassen, Frau Vogt? Mein Name ist Judith Krieger, ich bin Kommissarin, ich habe noch ein paar Fragen an Sie.«
    In der Küche ist es kühler als im Garten. Die Kommissarin setzt sich aufs Sofa, genau an dieselbe Stelle wie zuvor ihr junger Kollege. Elisabeth schenkt ihr ein Glas Wasser ein.
    »Haben Sie wohl eine Tasse Kaffee für mich?« Die Stimme der Kommissarin klingt müde.
    Elisabeth setzt den Kessel auf, gibt Kaffeebohnen in die Elektromühle, stülpt eine Filtertüte in den Porzellanfilter.
    »Genau so hat meine Großmutter auch immer Kaffee gemacht«, sagt die Kommissarin. »Ein richtiges Ritual.«
    »Lebt sie nicht mehr?«
    »Schon lange nicht mehr.« Die Worte sind kaum zu verstehen.
    Elisabeth weiß nicht, was sie erwidern soll. Sie denkt an ihren eigenen Enkelsohn, der Hunde liebt wie sie. Die Frau in ihrer Küche ist ganz anders, als sie sich eine Kommissarin vorgestellt hat. Längst nicht so furchterregend zielstrebig wie ihr junger blonder Kollege, obwohl das andererseits auch nicht stimmt, schließlich ist sie durch den Garten eingedrungen. Elisabeth brüht den Kaffee auf und deckt den Tisch.
    »Oh, Milch.« Die Kommissarin lächelt und greift nach dem Kännchen, mit beinahe kindlicher Gier. Ihr T-Shirt hat einen Riss. Vielleicht ist sie im Garten irgendwo hängen geblieben. Die Lockenmähne hat sie mit einem Stück Schnur im Nacken zusammengebunden. Es sieht improvisiert aus, nicht wie eine ordentliche Frisur.
    »Einen schönen Hund haben Sie.«
    Elisabeth lächelt ebenfalls. Froh, dass Barabbas so sauber und gestriegelt ist. Sie trinken Kaffee und schweigen.
    »Der Junge«, sagt die Kommissarin schließlich. »Der Junge, dem der Rauhaardackel gehörte. Jonny. Er ist tot.«
    Unwillkürlich greift sich Elisabeth ans Herz.
    »Deshalb bin ich gekommen. Ich habe gehofft, dass Ihnen vielleicht noch etwas eingefallen ist, was uns weiterhelfen könnte.«
    Das

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