Unter dem Eis
auf dem winzigen Display entfalten. Aus dem Handymikrofon quäken höhnische Befehle und Gelächter. Die letzte Szene ist ein Schwenk auf Tims Gesicht. Die Augen des Jungen sind so fest zusammengepresst, als wolle er nie wieder irgendetwas sehen.
»Wo hast du das her?«
»Dieses Handy gehört Lukas Krone. Aber das heißt gar nichts. Ich habe in der Schule nachgeforscht, nachdem mir Ivonne gestand, was Sache ist. Sie haben diesen Drecksfilm rumgemailt, er ist praktisch überall. Der Rektor lädt in dieser Minute zur Krisenkonferenz. So viel zu der Schule, an der es kein Mobbing gibt.«
Sie linst begehrlich auf Neissers Kippen, Manni hält ihr die Packung hin und gibt ihr Feuer. »Wie viele haben da mitgemacht?«
»Fünf.« Sie inhaliert tief. »Viktor Petermann und Ralf Neisser, Lukas Krone und noch zwei weitere Jungs aus Tims und Lukas’ Klasse. Aber Lukas schwört, dass Viktor und Ralf die Anführer waren und dass er und seine Klassenkameraden nichts mit dem Tod von Jonny oder mit Tims Verschwinden zu tun haben. Ich glaube ihm.«
Viktor und Ralle – natürlich. Wieder sieht Manni die Szene in der Schutzhütte wie einen Film, hört Martina Stadlers Worte. Jonny, der Mutige, der Lichtbringer, der Kämpfer für Gerechtigkeit. Er hat gekämpft, denkt Manni. Jonny konnte zwar nicht verhindern, dass Ralle seinen Dackel mit Drogen vergiftete, aber niemals hätte er zugelassen, dass Dr. D. auch noch verstümmelt wird. Es sei denn, die Gegner waren in der Überzahl.
Der Anfänger hechtet den Flur entlang und winkt mit einem Stapel Papier.
»Du hattest Recht, Manni«, stößt er hervor. »An dieser Erpressungsnummer könnte was dran sein. Hagen Petermann hat das schon mal gemacht, um einen Konkurrenten auszubooten. Der hat seine Klage dann aber wieder zurückgezogen. Inzwischen ist er im Ruhestand. Ich hab ihn ein bisschen bedrängt, und schließlich gab er zu, dass Petermann ihn damals geschmiert hat, damit er dichthält.« Der Anfänger wirft einen kurzen Blick auf seinen Papierstoß und schnappt nach Luft. »Und außerdem kandidiert Petermann momentan sehr aussichtsreich für einen Sitz im Rather Gemeinderat. Wenn da jetzt plötzlich schmutzige Wäsche gewaschen würde …«
Hagen Petermann. In Judith Kriegers Augen liest Manni exakt die Gedanken, die er selbst hat. Kann es sein, dass der Vater der Täter ist und der Sohn nur der Peiniger? Stecken die beiden unter einer Decke? Wieder meldet sich Mannis Unterbewusstsein, aber er kommt einfach nicht drauf, was er übersehen haben könnte.
»Großartige Arbeit«, lobt Judith Krieger den Anfänger.»Geh zu Millstätt, kontaktiere den Staatsanwalt, besorg uns einen Durchsuchungsbeschluss, und zwar schnell.«
Der Anfänger nickt und galoppiert los. Judith Krieger legt Manni die Hand auf die Schulter. »Bist du okay? Du siehst ganz schön mitgenommen aus.«
»Geht schon.« Zu seiner eigenen Überraschung ist ihm ihre Berührung nicht unangenehm. Aber zugleich ist sie gefährlich, weil sie ihn mit etwas zu verbinden droht, was er nicht fühlen will, jedenfalls auf keinen Fall jetzt. »Kommst du mit rein?« Er deutet auf den Vernehmungsraum. Die Krieger nickt und drückt ihre Zigarette in die bröckelige Erde einer Yuccapalmenleiche.
»Viktor war mit dabei«, sagt Manni, als sie Ralle Neisser wieder gegenübersitzen. »Jonny ist auf dich losgegangen, als sein Dackel starb. Da habt ihr ihn zusammengeschlagen.«
Ralle zieht die Nase hoch und schielt sehnsüchtig nach seinen Zigaretten.
»War es so?«
»Jonny wollte mit seiner blöden Töle unbedingt zu einem Tierarzt rennen, dabei war klar, dass das nichts mehr bringt.«
»Also habt ihr ihn daran gehindert. Ihr habt ihn getreten und zusammengeschlagen.«
»Jonny war selber schuld. Warum zieht er auch über Viktors Alten her?«
Der Parkplatz, die Erpressung – also doch. Manni fühlt Judith Kriegers Blick auf sich, fühlt ihre Unruhe. TIM, schreibt sie auf einen Block. WAS IST MIT DEM? Sie hat Recht, die Einzelheiten können sie später klären, erst gilt es, Tim zu finden. Manni nickt seiner Kollegin zu, bevor er sich wieder auf den jungen Neisser konzentriert.
»Was habt ihr mit Jonny gemacht, wo habt ihr ihn hingebracht?«
Wieder zieht Ralle die Nase hoch. »Keine Ahnung. Frag doch Vik.«
»Immer die anderen, was?« Manni knallt Lukas Krones Handy auf den Tisch, registriert mit Genugtuung, wie sich Ralles Augen weiten. »Aber ich hab Neuigkeiten für dich: Dieanderen sind nicht unbedingt auf deiner
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