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Unter dem Eis

Unter dem Eis

Titel: Unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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Dr. D. sah so lustig aus. Tim hatte ihm eines seiner Leberwurstbrote zugesteckt. Sie hatten getaucht und in der Sonne gelegen und Tim hatte Jonny von seinen neuesten Erkenntnissen über die Tiefsee erzählt und von den Fischen, die sich so viel besser zu tarnen verstehen als die Menschen. Warte nur, bald lassen sie dich in Ruhe, hatte Jonny da gesagt. Glaub mir, Tim.
    »Tim?«, sagt der blonde Kommissar unerwartet freundlich. »Was war am Freitag?«
    »Wir waren schwimmen«, flüstert Tim. »Mit Dr. D.«
    »Und am Wochenende?«
    »Jonny war doch weg, mit seinem Vater.«
    »In diesem Indianercamp.«
    Tim nickt.
    »Hat er sich darauf gefreut?«
    »Ich glaub schon.«
    »Du glaubst?«
    Glaub mir, Tim, ich lüge nicht, bald lassen sie dich in Ruhe. Es ist, als ob Jonny hier neben ihm steht und diesen Satz wiederholt. Bald lassen sie dich in Ruhe. Das klang so schön. Das klang so sicher. Das klang so unwahrscheinlich. Trotzdem hatte Tim Jonny geglaubt. Weil er Jonny glauben wollte. Jonnys Zuversicht war Tims Seeanemone. Doch das kann er dem Kommissar nicht sagen. Denn dann hören es auch seine fiese Kollegin und der Direktor und der sagt es Jonnys Eltern und Tims Eltern und seinen Lehrern und dann erfährt es die Dolling und als Nächstes seine lieben Mitschüler und dann wird alles nur noch schlimmer. Verräter werden sie ihn nennen, Petze, Schleimer, Mamakind. Arschkriecher. Und diesmal ist kein Jonny da, um ihn zu retten. Diesmal ist Tim wirklich ganz allein.
    Das Handy des Kommissars klingelt, er meldet sich unwirsch, aber im nächsten Augenblick spannt sich sein Körper an.
    »Ich komme sofort«, sagt er ins Telefon.
    »Haben Sie Jonny gefunden?« Tim kann nicht sagen, woher er den Mut zu dieser Frage nimmt. Sie ist einfach da und klingt wie ein Schrei.
    Überrascht sehen die Erwachsenen ihn an.
    »Nein.« Der blonde Kommissar steht auf. »Tschüs, Tim. Wir reden später weiter.«

    An einem Kiosk kauft Manni eine Literflasche Cola und ein Snickers. Sein Handy fiedelt, er starrt aufs Display. Schon wieder seine Mutter. Keine Zeit. Er drückt sie weg. Er trinkt die Cola in langen Schlucken, während er die Dienstgurke zurück zum Königsforst lenkt. Die kalte Flüssigkeit und der Zucker, gepaart mit der Erwartung, was die Hundeführer ihm gleich zeigen werden, wirken wie ein Frischekick. Die Tatsache, dass die Bruckner vorerst in der Schule bleibt, bessert seine Laune noch mehr. Irgendwas an dieser Frau geht ihm ganz unbeschreiblich auf die Nerven.
    Das Sonnenlicht gleißt auf den Transportern der Hundestaffel, die am Quartier der Kölschen Sioux parken. Mike, ein rotblonder drahtiger Hundeführer, den Manni von Karatewettkämpfen kennt, läuft auf ihn zu, sobald er ihn entdeckt. Mikes Hund Tarzan bewegt sich an seiner Seite, als sei er mit Mike verschmolzen.
    »Ich bring dich hin.«
    Sie laufen schweigend, Seite an Seite, zuerst auf einem breiten Spazierweg, dann quer durch den Wald auf einem schmaleren, holprigen Pfad, der normalerweise Reitern vorbehalten ist. Nach etwa 20 Minuten erreichen sie eine Schneise und wenig später sehen sie die Kollegen. Sie sitzen auf einem Stapel Baumstämme in der Nähe einer Wetterschutzhütte für Wanderer. Ein Vogel krächzt über ihren Köpfen und verschwindet flügelschlagend im Grün, einer der Spürhunde blafft. Entfernt ist das Brummen der Autobahn zu hören. Manni stemmt das rechte Bein auf einen fetten Baumstamm und sieht sich um.
    »Hier habt ihr was gefunden?«
    Einer der Hundeführer deutet auf die Schutzhütte.
    »Da drin. Arco ist kaum zu bändigen.«
    »Und was …«
    »Nichts zu sehen. Aber etwas ist da drin passiert, und zwar nichts Gutes.«
    »Schade, dass Arco nicht reden kann.«
    »Er kann reden. Nur nicht in unserer Sprache.«
    »Und was sagt er?«
    »Die Hunde riechen Stress«, schaltet sich Mike ein. »Wennjemand große Angst hat, sondert er einen bestimmten Duftstoff ab, Buttersäuregeruch sagt man dazu.«
    Manni geht auf die Schutzhütte zu. Ein schlichter, viereckiger Holzbau, zum Weg hin offen, runtergezogenes Dach, an den Wänden entlang Sitzbänke. Die Hütte ist leer.
    »Okay, zeigt mir, was ihr meint.«
    »Arco!«
    Augenblicklich wetzt der Belgische Schäferhund in die Hütte. In einer der Ecken macht er Halt und gibt Laut. Ein winselnder Ton, der schnell zum Knurren wird. Trotz der brütenden Hitze bekommt Manni eine Gänsehaut.
    »Jemand saß hier auf der Eckbank und hatte Angst? Und du bist sicher, dass Arco sich nicht irrt?«
    »247 Millionen

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