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Unter dem Eis

Unter dem Eis

Titel: Unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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aus einem schwarzen BMW Z4 und federt dynamischen Schrittes über den aufgeheizten Asphalt zum Lokus. Gute Idee eigentlich, Manni tut es ihm nach. Drinnen beißt ihm Pissegeruch in die Nase, auch wenn es für ein Klohaus ohne Personal geradezu manierlich aussieht. Blasses Neonlicht, WCs, Pissoirs, Waschbecken, Seifen- und Handtuchspender sind aus Stahl, wie auch der Spiegel, der Mannis Gesicht als bleichen Schemen reflektiert. Nix zu holen hier. Vom Stau oder Leben Frustrierte müssen sich woanders abreagieren.
    Manni schaufelt sich kaltes Wasser ins Gesicht und zieht ein Papierhandtuch aus dem Spender. Jemand muss die Handtücher nachfüllen und die Klos putzen. Hinter einer dicken Plexiglasplatte, die an die Wand gedübelt ist, steckt ein Schild mit Namen und Telefonnummer der Betreiberfirma der Sanitäranlage. Er notiert beides auf seinem Block. Eher unwahrscheinlich, aber man weiß ja nie – vielleicht hat einer der Mitarbeiter den Jungen oder den Dackel gesehen. Doch was potentielle Zeugen angeht, ist der Imbisswagen sicher die bessere Adresse. Manni verlässt das WC und läuft hinüber. Mr Snack – Öffnungszeit täglich 10 bis 18 Uhr , steht auf der Klappe. Manni stützt die Ellbogen auf einen der Stehtische und betrachtet das Panorama. Schön und gut, von hier hat man den Überblick, morgen früh um zehn kann ihm Mr Snack das hoffentlich bestätigen. Und jetzt?
    Das Fiepen seines Handys enthebt ihn einer Entscheidung. Karl-Heinz Müller. Endlich.
    »Die Spurensicherer legen mir so ein angefaultes, haariges Ding auf den Tisch und sagen, du meldest dich, aber darauf kann ich wohl lange warten.«
    »Ich hab versucht, dich anzurufen. Aber erst war dauernd besetzt und dann ging keiner ans Telefon und dein Handy war ausgeschaltet.«
    »Na ja, stimmt wohl. Neuer Chef, neue Sitten. Kein Handy mehr bei der Leichenschau, keine Zigaretten, demnächst verbietet er uns wahrscheinlich das Atmen.« Karl-Heinz schnaubt so inbrünstig, dass Manni meint, den Qualm seiner unvermeidlichen Davidoff durchs Telefon riechen zu können. »Also, warum soll ich im Bereich der Zoologie tätig werden?«
    »Die Ks müssten auch eine Vergleichsprobe dagelassen haben. Haare. Und einen Hundepass.«
    »Haben sie, ja.«
    Karl-Heinz Müller ist schwer in Ordnung und total gutherzig, hat Judith Krieger mal gesagt. Man muss ihn nur zu nehmen wissen, und das heißt, man muss ihm unbedingt das Gefühl geben, dass man ohne ihn aufgeschmissen ist. Demut also, beschließt Manni.
    »Hör mal, Karl-Heinz, ich weiß, ich hätte dich direkt persönlich informieren müssen, und ich kann mir auch durchaus vorstellen, was du momentan zu tun hast«, Manni schluckt. Die Touristenmorde untersuchen, zum Beispiel, die das KK 11 in Atem halten und die Stadtobersten zu verzweifelten Kurzschlusshandlungen treiben, weil ermordete Touris für sie in allererster Linie ein PR-Gau sind. Und er muss sich derweil mit verschwundenen Dackeln plagen. »Aber ich brauche trotzdem deine Hilfe, und zwar so schnell wie möglich. Unter Umständen kann ich mit deinen Erkenntnissen das Leben eines verschwundenen Jungen retten.«
    Sehr dick aufgetragen, aber es scheint zu wirken. Karl-Heinz Müller seufzt. »Keine Leiche. Nur dieses Pelzteil – was ganz sicher nicht zu einem Jungen gehört.«
    »Ich vermute, es ist das Ohr seines Dackels. Auf der einen Seite von diesem ›Teil‹ ist was Blaues, möglicherweise eine Tätowierung, vielleicht kannst du rekonstruieren, ob es die aus dem Hundepass ist. Die Vergleichsprobe stammt aus dem Körbchen des Dackels, um den es sich handeln könnte.«
    »Das schaff ich aber heute nicht mehr, deine Gabe ist, wie gesagt, nicht gerade frisch. Und eine DNA-Probe dauert.«
    Ein Mann in albern gemusterten Boxershorts hievt sich aus einem Golf, bedenkt das Klohaus mit einem vernichtenden Blick und stapft an den Picknicktischen vorbei über die ungepflegte Wiese. Am Waldrand bleibt er stehen und pinkelt an einen Strauch.
    »Spanner!«, sagt Manni.
    »Wie bitte?« Karl-Heinz Müller klingt pikiert.
    »Entschuldige, ich meine nicht dich, ich hab nur laut gedacht.« Wo es was zu spannen gibt, gibt es auch Spanner, das ist eine Regel, die Manni aus seiner Zeit bei der Sitte kennt. War der Junge ein Spanner? Wohl kaum. Aber vielleicht ist er einem Spanner in die Quere gekommen. Der Wildpinkler schüttelt sein bestes Stück, verstaut es wieder in der Hose, wischt mit den Händen über seinen feisten Hintern und stapft zurück zu seinem Auto. Gleich

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