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Unter dem Eis

Unter dem Eis

Titel: Unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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Unschuldslamm-Gesichtsausdruck zur Schau: Ich tu nichts, ich weiß nichts, ich will nur spielen – eine stinklangweilige Masche.
    »’ne Cola hätt ich gern. Kalt«, sagt Manni.
    Zögernd steigt Mr Snack in seinen Wagen und fördert eine Flasche zutage.
    »Geht aufs Haus.«
    Manni sieht Mr Snacks Partner an. »Samstagnachmittag. Waren Sie da hier?«
    Der Mann schielt fragend zu Mr Snack.
    »Hier ist alles korrekt«, postuliert der.
    Manni trinkt einen Schluck Cola. »Ich kann das gern überprüfen lassen, hab einen guten Freund beim Gewerbeaufsichtsamt. Andererseits würde mir eine einfache Auskunft reichen.«
    Er legt die Fotos von Jonny und Frank Stadler auf einen der Stehtische. »War einer von denen am Samstagnachmittag hier?«
    »Der Junge hatte ’nen Hund dabei«, rattert Mr Snacks Kompagnon los. »Er ist aufs Klo gegangen.«
    »Und dann?«
    »Weiß nicht. Hab nicht drauf geachtet.«
    »War der Junge allein?«
    »Ja.«
    »Sicher?«
    Mr Snack tippt auf Frank Stadlers Konterfei. »Der da hat bei mir eine Flasche Wasser gekauft, aber den Jungen hab ich nicht gesehen. Die meisten Leute bleiben hier an den Stehtischen. Aber der hier«, er tippt erneut auf das Foto von Stadler, »wollte wohl seine Ruhe. Hat sich dahinten an den Waldrand zu einem anderen Typen gehockt und geredet. Da sitzt sonst nie jemand.«
    »Geredet. Nur geredet? Oder hat der eine dem anderen was gegeben?«
    »Hab ich nicht gesehen.«
    »Und der Junge war nicht bei ihnen?«
    »Ich hab ihn nicht gesehen.«
    »Wie sind die beiden Männer hier auf den Rastplatz gekommen?«
    »Weiß ich nicht. Mit dem Auto?«
    »Was für ein Auto?«
    »Keine Ahnung.«
    »Und der Junge?«
    Ratlosigkeit steht in ihren Gesichtern.
    Manni notiert die Personendaten. »Sie müssen morgen ins Präsidium kommen, wir müssen Ihre Aussagen protokollieren.« Er gibt den Männern seine Visitenkarte. »Rufen Sie mich an, wenn Ihnen bis dahin noch irgendwas einfällt.«
    Der Picknicktisch, an dem Stadler und Mister X gesessen haben sollen, liegt wirklich abseits. Alle anderen Tische stehen in der Nähe der Parkbuchten. Vielleicht können die Spurensicherer noch Fingerabdrücke nehmen, vermutlich aber nicht. Der Fall zerrt an ihm, geht ihm an die Nieren, jeder noch so kleine Erfolg birgt sofort neue Fragen und Aufgaben. Wen hat Frank Stadler hier getroffen und warum? Es kann kein Zufall sein, dass zur gleichen Zeit auch Jonny auf dem Rastplatz war. Jonny, der Späher. Jonny, der Mutige, der Kämpfer für Gerechtigkeit. Womöglich hat er seinen Stiefvater beobachtet. Womöglich hat er etwas erfahren, was er nicht wissen durfte, und musste dafür sterben. Wenn er überhaupt gestorben ist. Er muss diesen Jungen finden, verdammt noch mal, ob tot oder lebendig. Er muss Frank Stadler zur Rede stellen, muss ihn dazu vor allem erst einmal finden. Warum soll er das eigentlich alles allein machen, warum gibt es im KK 66 außer der lahmarschigen Bruckner niemanden, der ihn unterstützt?
    Mannis Handy beginnt zu vibrieren, eine Bonner Nummer, die ihm vage bekannt vorkommt.
    »Herr Korzilius, Manfred Korzilius?«
    Der Unterton in der fremden Männerstimme ist wie ein Faustschlag. Manni weiß, was jetzt kommen wird, er kennt diesen Ton, auch wenn er sich plötzlich unbedingt wünscht, dass er sich irrt.
    »Es tut mir sehr Leid, Herr Korzilius, Ihr Vater ist vor einer halben Stunde verstorben …«
    » … nicht gelitten, ein zweiter Schlaganfall, letzte Nacht … hat das Bewusstsein nicht wiedererlangt …«
    Scheiße.
    » … Ihre Mutter, Herr Korzilius, es geht ihr nicht gut. Wir haben ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Können Sie möglichst schnell kommen?«
    Einmal hat Mannis Vater ihm von einer seiner Fahrten eine ganze Tüte gelbe Gummibärchen mitgebracht. Manni hat sich in seinem Zimmer verkrochen und sie alle auf einmal aufgegessen. Danach war ihm schlecht, er wollte kein Abendbrot essen, sein Vater hat ihm eine geklebt. Später ist Manni aufs Gymnasium gekommen, auch wenn sein Vater das für Zeitverschwendung hielt. Bei der Abiturfeier hat er sich eingebildet, sein Vater sei letztendlich doch stolz auf ihn, aber gesagt hat der Alte nichts, nur zu viel Bier und Klare getrunken. Genau wie bei der Feier zu Mannis Verbeamtung.
    Polizist. Schmeißt dein Leben weg. Stolpernde Schritte über die Wiese. Auf den Asphalt, ins Toilettenhaus. Manni torkelt in eine Kabine und kotzt einen klebrigen Schwall Cola und Gyrosreste in die stählerne Toilettenschüssel. Er kotzt, bis er nichts

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