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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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mir!«
    Knapp antwortete Keen: »Der richtige Mann für die Aufgabe, denke ich. Er weiß, was es heißt, bei einer Kriegsgerichtsverhandlung auf dieser oder auf der anderen Seite des Tisches zu sitzen.«
    »Das war damals, Val. Es muß sein.«
    Keen blieb beharrlich: »Aber was kann er machen? Neunzig Mann, britische Seeleute. Soll er alle hängen oder auspeitschen lassen? Das Verbrechen ist geschehen, über die Strafe ist längst entschieden. So war es immer!«
    Bolitho trat wieder ans Fenster und sah Avery sich mit Gilia St. Clair unterhalten.
    Ohne sich umzudrehen, fragte er: »Sie haben doch die
Reaper
aufgebracht! Glaubten Sie damals, bevor sie sich ergab, daß Adam den Befehl zu feuern gegeben hätte?« Er wartete ein paar Augenblicke. »Geiseln oder nicht.«
    »Ich… ich bin mir nicht sicher!«
    Bolitho sah die junge Frau den Kopf zurückwerfen und laut über irgend etwas lachen, das Avery ihr gesagt hatte. Erst der Krieg und jetzt ganz Persönliches. Sie hatte mit Adam gesprochen und wußte oder ahnte, wie nahe sie an jenem Tag dem Tod gewesen war.
    Er ging vom Fenster weg, drehte seinen Rücken zum Licht. »Die
Reaper
hatte doch die
Crystal
aufgebracht, auf der die St. Clairs Passagiere waren. Wem gehörte die
Crystal
eigentlich?«
    »Ich glaube, der Schoner gehörte Benjamin Massie. Sie haben ein sehr gutes Namensgedächtnis.«
    Bolitho setzte das Glas ab, dankbar für das Licht im Rücken, das sein Gesicht und seine Gedanken nicht erkennen ließ.
    »Es wird besser werden, Val!«
    Richard Bolitho stieg auf die Stufen des Anlegers und wartete auf Tyacke und seinen Flaggleutnant, die ihm folgten. Im Bug des Bootes saß Allday und sah ihn nachdenklich an. Er teilte sicher seine Gedanken, auch wenn er das Kommende in einem anderen Licht sehen würde.
    Bolitho sagte: »Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird.«
    Allday kniff im beißenden Licht die Augen zusammen: »Wir warten hier, Sir Richard!«
    Sie folgten schweigend dem schmalen Weg. Bolitho fiel auf, daß die Luft trotz der Sonne kühl war. September! Verflog das Jahr so schnell?
    Er dachte an Catherines letzten Brief, in dem sie ihm von den letzten Stunden Lewis Roxbys berichtete und dabei das Begräbnis so genau beschrieb, daß er meinte, mit ihr zusammen dortgewesen zu sein. Es war ein großes Ereignis gewesen, passend für einen Ritter des Hannoverschen Welfenordens. Seine eigenen Leute hatte Roxby sehr gemocht; die, die für ihn arbeiteten, achteten ihn, und wer ihm – wie viele – als Friedensrichter begegnet war, fürchtete ihn. Er hatte jedermann immer fair behandelt, doch für das, was hier heute anlag, würde auch er kein Verständnis zeigen. Selbst im eigenen Boot hatte Bolitho die Spannung unter den Seeleuten gespürt. Die Männer an den Riemen wichen seinem Blick aus, Avery starrte nach vorn auf die ankernde
Reaper
, und Tyacke hielt sich gänzlich zurück, war so verschlossen wie schon viele Monate nicht mehr.
    Er hob grüßend seinen Hut, als ein Trupp Soldaten vorbeiritt und der junge Fähnrich seinen Säbel zum Gruß blitzen ließ, als er die Admiralsuniform erkannte.
    Diese vielen Soldaten! Wann würden sie in den Kampf ziehen, oder waren die Würfel längst gefallen? Tyacke hatte wie David St. Clair recht behalten bezüglich der Amerikaner und ihrer Absicht, die Großen Seen zu erobern und zu behalten. Sie hatten York noch einmal angegriffen, hatten die Vorratshäuser und die militärische Ausrüstung verbrannt, die die britische Armee auf ihrem Rückzug nach Kingston dort vor drei Monaten zurückgelassen hatte. Es war von höchster Wichtigkeit, den Amerikanern die Kontrolle über den Eriesee wieder zu entreißen, um die Kommunikation auf dem Wasserweg und die Nachschublinien für die Truppe offenzuhalten. Sonst müßten sich die Briten weiter zurückziehen, ja sich vielleicht sogar ergeben.
    Er sah jetzt die Kasernentore vor sich und war überrascht, daß er nicht außer Atem war.
    Die Wache war mit blitzenden Bajonetten zu ihrer Begrüßung aufmarschiert. Sie betraten das Hauptgebäude. Ein Korporal öffnete ihnen die Türen. Bolitho sah, wie er Tyackes zerrissenes Gesicht kurz musterte und dann schnell wieder wegschaute. Er wußte, daß auch Tyacke es bemerkt hatte, und fragte sich, ob er deswegen so verschlossen war. Er war sich der neugierigen Blicke, des Mitleids und des Entsetzens sehr bewußt und konnte so das Schlimme nie vergessen. Bolitho wußte, daß Tyacke genau aus diesem Grund jeden unnötigen Gang an Land

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