Unter dem Georgskreuz
hatte, als Allday mit einem kleinen Botenwägelchen unerwartet erschienen war. Trotz der muffigen Hauptbücher und der Feuchtigkeit des Winters schien es ihm, als sei sie kurz vor ihm eingetreten. Lady Catherine Somervell war das letzte Mal vor Weihnachten, bevor sie mit dem Admiral nach London aufgebrochen war, in seinem Kontor gewesen. Und doch war ihr Duft immer noch zu spüren, ein Duft nach Jasmin. Das alte Haus hatte viele Bolithos kommen und gehen sehen in all den Jahren. Und früher oder später kam der eine oder andere nicht mehr zurück. Das Haus nahm das alles an. Es wartete mit seinen dunklen Porträts der Bolithos. Wartete… Doch wenn Lady Catherine weg war, war alles anders – ein verlassenes Haus.
»Lady Catherine wahrscheinlich mehr als jeder andere!«
antwortete er.
Etwas in seiner Stimme ließ Allday sich umdrehen.
»Du also auch, Bryan?«
»So eine Frau habe ich noch nie gesehen!« sagte Ferguson. »Ich war bei ihr, als wir die tote Frau fanden.« Er starrte auf seine Pfeife. »Sie war ganz und gar zerschmettert, aber Mylady hielt sie wie ein Kind. Ich werd das nie vergessen… Ich weiß, du hast Angst davor, daß du zu alt wirst, John, für die Härten eines Seemannslebens mit all seinen Kämpfen. Ich nehme an, Sir Richard fürchtet das auch. Aber warum sag ich dir das? Du kennst ihn besser als jeder andere, Mann!«
Zum ersten Mal lächelte Allday jetzt. »War ich froh, daß Kapitän Adam vor dem Kriegsgericht keine Probleme hatte. Da hat Sir Richard wenigstens eine Sache weniger in seinem Kopf.«
Ferguson räusperte Zustimmung und rauchte. Ein Zollkutter war in Falmouth eingelaufen und hatte die Neuigkeit und andere Nachrichten gebracht.
Ganz direkt fragte Allday: »Du wußtest von der Sache zwischen ihm und diesem Mädchen Zenoria?«
»Ich hab’s geraten. Es bleibt unter uns. Selbst Grace ahnt nichts davon.«
Allday blies den Span aus. Grace war Bryan eine wunderbare Ehefrau. Sie hatte ihn gerettet, als er damals ohne Arm nach Hause zurückgekehrt war. Aber sie hatte Freude am Tratschen. Gut, daß Bryan sie richtig zu nehmen wußte.
Er sagte: »Ich liebe meine Unis mehr, als ich sagen kann. Aber ich würde Sir Richard nicht verlassen. Vor allem jetzt nicht, wo es fast vorbei ist.«
Die Tür ging auf, und Grace Ferguson trat in die Küche.
»Ihr seid wie zwei alte Weiber, wirklich. Was macht meine Suppe?« Doch sie sah sie dabei freundlich an. »Ich habe mich gerade um die Feuer gekümmert. Das neue Mädchen Mary ist ja ganz willig, aber sie hat ein Gedächtnis wie ein Sieb.«
»Feuer?« fragte Ferguson überrascht. »Bist du nicht ein bißchen voreilig?« Doch seine Gedanken schweiften ab, hingen Alldays letzten Worten nach.
Ich würde Sir Richard nicht verlassen, jetzt, da es fast vorbei ist.
Er versuchte sie wegzuwischen, aber das gelang ihm nicht. Was hatte er damit gemeint? Sollte der Krieg endlich enden, damit Männer die Bilanz ziehen konnten? Oder hatte er Angst um Sir Richard? Das wäre nichts Neues. Ferguson hatte mal gehört, wie Bolitho sie beide mit Herr und Hund verglich. Jeder fürchtete, den anderen allein zu lassen.
Grace schaute ihn fragend an: »Ist irgendwas nicht in Ordnung, mein Lieber?«
Er schüttelte den Kopf: »Nichts!«
Allday bedachte beide mit einem Blick. Obwohl er sie lange allein lassen mußte, wenn er auf See war, hatte er keine besseren Freunde.
Er sagte: »Bryan meint, ich werde alt und werde zerfallen wie eine verrottete Hulk.«
Sie legte eine Hand auf sein kräftiges Handgelenk. »Das ist ja wohl blanker Unsinn, du mit deiner wunderbaren Frau und dem wonnigen Baby. Du und alt!« Doch das Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Sie kannte beide gut genug und ahnte, was vorgefallen war.
Wieder ging die Tür auf, und diesmal trat der Kutscher Matthew ein. Genau wie Allday hatte er dagegen protestiert, daß er in Falmouth bleiben und Bolitho und Catherine einer gemeinen Postkutsche anvertrauen mußte.
Ferguson war froh über die Unterbrechung: »Was liegt an, Matthew?«
Matthew grinste.
»Ich habe gerade das Posthorn gehört. Es klang wie beim letzten Mal, als er nach Hause kam.«
Sofort gab ihm Ferguson den Auftrag: »Fahr zum Platz nach Falmouth und hol sie dort ab.« Doch Matthew war längst verschwunden. Er wußte von der Ankunft als erster, so wie er auch die Salutschüsse der Batterie von St. Mawes richtig gedeutet hatte, als Bolitho vor gut einem Monat nach Falmouth zurückgekehrt war.
Er hielt inne und küßte seine Frau auf die
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