Unter dem Georgskreuz
getrennt von dem Treiben auf dem Schiff und seinem ununterbrochenen Kampf gegen den gemeinsamen Feind, blieben sich Adam und sein neuer Vorgesetzter seltsam fremd. Keen verbrachte die meiste Zeit mit dem Lesen langatmiger Instruktionen der Admiralität, oder er machte sich Notizen, während er unter den wild schwankenden Laternen die Seekarten studierte. Sie brannten Tag und Nacht. Durch die Heckfenster kam nur wenig Licht. Entweder strömte Wasser über sie, das ein achterlicher Sturm vor sich her jagte, oder sie waren so mit Salz verkrustet, daß selbst die rollenden Seen so verzerrt schienen wie wilde, drohende Tiere.
Adam hatte für all das Verständnis. Wäre die
Wakeful
eine ganz gewöhnliche Fregatte der Flotte gewesen, wäre sie wahrscheinlich unterbemannt oder mit unerfahrenen Männern besetzt gewesen, die die Preßgangs aufgegriffen oder die örtlichen Gerichte ihnen angeboten hatten. Doch das hier verlangte erfahrene Seeleute, die lange genug zusammengearbeitet hatten, die Stärke ihres Schiffes kannten und die Erfahrung ihres Kommandanten einschätzen konnten. Oft genug hatte er dabei an die
Anemone
gedacht.
Wenn seine Pflicht es zuließ, hatte Kapitän Hyde sie aufgesucht. Kein Wunder, daß er ihnen seine eigene Kajüte überlassen hatte. Hyde verbrachte genauso viele Stunden, wenn nicht gar mehr, wie seine Männer an Deck.
Sooft wie möglich hatte Adam mit Keen in der Kajüte gesessen, um das Essen aus der Kombüse mit viel Wein herunterzuspülen. Ein heißes Getränk zu bekommen, war unmöglich. Doch der Wein hatte sie in ihrem Umgang nicht vertrauter werden lassen.
Es mußte Hyde aufgefallen sein, daß Keen keine übertriebenen Forderungen stellte. Er hatte nicht über Unbequemlichkeiten geklagt, hatte auch keine Kursänderung in ruhigere Gewässer verlangt, selbst wenn das eine längere Reise bedeutet hätte. Offensichtlich überraschte Hyde das. Ein einziges Mal hatte Hyde den Kampf aufgegeben. Beigedreht lag die Wakeful unter Sturmsegeln und wartete auf leichteres Wetter. Da schien Keen bereit, ihn ins Vertrauen zu ziehen. Später meinte Adam, sie hätten es leichter gehabt, wenn sie sich als gänzlich Fremde begegnet wären.
Keen hatte gesagt: »Ich kann Ihnen sicher kaum vermitteln, wie bewegt ich von Ihrem Brief war, mit dem Sie diese Ernennung annahmen. Wir kennen uns ja schon lange, und wir haben gemeinsame Freunde und viele auch verloren.« Er unterbrach sich, dachte vielleicht an die
Hyperion
zurück. Er war Bolithos Flaggkapitän gewesen, als das alte Schiff mit fliegenden Fahnen unterging. »Wir haben erlebt, wie gute Schiffe zerstört wurden.« Sie lauschten auf den Wind und hörten das Zischeln der See an den Heckfenstern. »Die See ist manchmal kein kleinerer Tyrann als der Krieg.«
Er schien bereit für ein Gespräch, und Adam hatte seinen Begleiter mit neuen Augen gesehen. Als Keen in Portsmouth mit allen Ehren an Bord gepfiffen wurde und der Hafenadmiral ihn persönlich begrüßte, hatte Adam die alte Verletzung und Ablehnung wieder gespürt. Keen trug keine Trauer, damals nicht und auch jetzt nicht. Er hatte auch Zenoria nur einmal erwähnt, als er das bedeutungslose Beileidsgemurmel des Hafenadmirals entgegennahm.
Keen fuhr fort: »Als ich damals Flaggkapitän Ihres Onkels war, war ich mir über das Maß unseres Vertrauens nicht klar, obwohl ich ihn seit meiner Zeit als kleiner Midshipman kannte. Vielleicht kannte ich den wahren Unterschied nicht zwischen der Position eines Flaggkapitäns und der eines Kapitäns wie unseren jungen Martin Hyde. Sir Richard wies mir die Richtung, ohne mir zu schmeicheln, aber auch ohne meine Ansichten wegzuwischen. In seiner Position wäre das kein Problem gewesen. Mir hat das viel bedeutet, und ich hoffe, ich habe sein Vertrauen nicht enttäuscht.« Er lächelte traurig. »Oder seine Freundschaft, die mir so viel bedeutet und meine Seele rettete.«
Er konnte sie sich nicht zusammen vorstellen. Keen, nach außen hin immer ganz selbstsicher, ein Mann, der auf Frauen wirkte, sein Haar so blond, daß es über dem gebräunten Gesicht fast weiß schien. Doch als Liebhaber… Er fühlte sich abgestoßen von dem bloßen Gedanken.
John Whitmarsh stemmte die Beine gegen das taumelnde Deck, biß sich voller Konzentration auf die Unterlippe und stellte neuen Wein auf den Tisch.
Keen beobachtete ihn dabei. Als er gegangen war, sagte er: »Ein angenehmer Junge. Was haben Sie mit ihm vor?« Auf eine Antwort wartete er nicht. »Für meinen Sohn Perran
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