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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Transportschiff, das derartiges gewöhnt war. Sie ging bald zu Ende, und er hatte sich immer noch nicht gefangen oder seine Zweifel beseitigt. Er hatte in einen Krieg zurückzukehren, der nie gewonnen werden konnte, doch auch nie verloren werden durfte. Er hielt einfach nur durch, weigerte sich aufzugeben, auch wenn ein Ozean sie trennte.
    Er sagte: »Also, George, wir werden gleich essen. Ich bin froh, daß ich einen Flaggleutnant habe, dessen Appetit selbst ein ungnädiger Atlantik nicht dämpfen kann.«
    Avery lächelte. Er sollte sich inzwischen daran gewöhnt haben, auch an den Mann. Aber Bolitho überraschte ihn immer wieder mit seiner Art, seine persönlichen Belange hinter sich zu lassen oder sie wenigstens vor anderen zu verbergen.
Vor mir
. Avery konnte sich vorstellen, was die Rückkehr zu den Pflichten ihm abverlangt hatte. Doch als er in Plymouth an Bord geklettert war, hatte nichts seinen Abschiedsschmerz von der Geliebten verraten.
    Bolitho sah den letzten Siegellack wie Blut auf einen Umschlag tropfen, ehe Yovell sein Siegel hineindrückte. Er hatte sich selber nicht geschont, doch er war sich sehr wohl klar darüber, daß die Lage sich ganz anders darstellen könnte, wenn sie in Halifax auf ihr Geschwader stießen. Ihre letzten Nachrichten könnten völlig überholt sein. Zeit und Entfernungen bestimmten den Charakter des Krieges auf See. Instinkt, Schicksal, Erfahrung – machten alles oder nichts aus, aber Nichtwissen war oft lebensgefährlich.
    Avery sah die Seen über die großen Heckfenster wischen. Das Schiff war gemütlicher als erwartet. Die zähe und gut gedrillte Mannschaft war schnelle Reisen gewohnt und wich verdächtigen Segeln aus, statt sich auf Kämpfe einzulassen. Die Befehle der Admiralität machten das jedem Kommandanten eines solchen Schiffes ohne Zweifel klar: Sie hatten ihre Passagiere oder ihre kleine, wichtige Fracht um jeden Preis ans Ziel zu bringen. Doch gewöhnlich trugen sie viel zu wenig Waffen. Die
Royal Enterprise
hatte ein paar Neunpfünder und ein paar Drehbassen. Ihr ging es um Schnelligkeit, nicht um Ruhm.
    Nur einmal hatten sie Pech. Eine wilde Bö war über sie hergefallen, als sie gerade über Stag gingen. Die Fockbramstenge war mitsamt ihrer Rah gebrochen und wie ein Stückchen Strandgut über Bord geschleudert worden. Die Mannschaft hatte sofort zugepackt. Sie waren derlei Unfälle gewöhnt, doch ihr Master, ein gewaltiger Kerl namens Samuel Tregullon, war sauwütend über den Bruch. Er stammte aus Penzance in Cornwall und war unendlich stolz auf den Ruf seines Schiffes, mit dem er in der Lage war, die Befehle der Admiralität buchstabengetreu zu befolgen. Es war schon schlimm genug, sich mit einem so wichtigen Passagier in seiner Obhut und einem Landsmann aus derselben Grafschaft noch dazu zu verspäten. Aber wie er bei einem Krug Rum in der Kajüte verlauten ließ, hatte ein zweiter Transporter, fast ein Schwesterschiff, die
Royal Herold
, Plymouth ein paar Tage nach ihnen verlassen. Sie würde in Halifax vor ihnen eintreffen.
    Hinterher meinte Bolitho zu Avery: »Wieder so eine Rivalität zwischen Männern aus Cornwall. Ich wette, hinterher weiß keiner mehr, wie alles begann.«
    Bolitho hatte ihn über London befragt, doch Avery war dankbar, daß er nicht zu viel wissen wollte. Während der langen Nächte, in denen er schlaflos dem Röhren der See und den Protesten der Schiffswände gelauscht hatte, hatte er kaum an etwas anderes gedacht.
    Er hatte weder Triumph noch Genugtuung gefühlt, obwohl er das einst angenommen hatte. Hatte sie mit ihm nur ihren Spaß gehabt, mit ihm wie einst nur gespielt? Oder hatte er sich das auch nur eingebildet? Eine Frau mit solcher Haltung, so selbstsicher unter Menschen in einer ganz anderen als seiner Welt… Warum sollte sie alles aufs Spiel setzen, wenn sie kaum etwas für ihn empfand?
    Keine dieser Fragen hatte er beantworten können, wie häufig er sie auch stellte.
    Er hätte sie nie treffen sollen, hätte sie vor allem nicht in ihrem Haus besuchen dürfen. Er schaute zu Bolitho hinüber, der sich mit Yovell wie mit einem Freund unterhielt, nicht wie ein Admiral mit seinem Sekretär. Was würde Bolitho wohl sagen, wenn er erfuhr, daß an jenem Tag auch Belinda, seine Frau, dort gewesen war – und sich offensichtlich in dieser eleganten und oberflächlichen Welt so zu Hause fühlte wie alle anderen auch?
    Yovell stand auf und grinste, als das Deck wieder unter seinen Füßen schwankte. »Ach, Sie hatten, was mich

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