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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Augen, ein Mund, der Lächeln gewöhnt war. Er sah ihre Hand, die seiner auf dem dicht gedeckten Tisch so nahe lag. Verheiratet, aber mit niemandem hier. Also Geliebte von jemandem?
    »Entschuldigen Sie, Madam«, bat er. »Solchen Glanz bin ich nicht gewöhnt, nicht mal auf dem Meer!«
Schlag auf Schlag.
    Ein Lakai erschien, und ihr Fuß bewegte sich zur Seite. Doch sie sah ihn wieder an und sagte: »Das müssen wir ändern, Kapitän!«
    Adam sah zu ihrem Gastgeber hinüber. Ein verräterisches Wort. Erinnerte Keen sich daran, auch jetzt, da er äußerlich so beherrscht und kontrolliert erschien? Massie hatte geantwortet, als habe er von der Meuterei bereits gewußt. So ein Wort nahm niemand leichtfertig in den Mund. Vielleicht nur ein Gerücht, nur Geschwätz?
    Doch Massie hatte sicher seine Finger überall drin. Das alles konnte nur eins bedeuten. Die
Reaper
war schon hier.
    »Sind Sie verheiratet, Kapitän?«
    »Nein.« Das klang viel zu harsch, und er versuchte es sanfter: »Dieses große Glück hatte ich bisher noch nicht.«
    Nachdenklich schaute sie ihn mit angehobenen Brauen an.
    »Das überrascht mich.«
    »Und Sie selber, Madam?«
    Sie lachte, und er sah Massie herüberblicken. Zu ihnen beiden. »Wie ein Mantel, Kapitän«, antwortete sie. »Ich trag ihn, wenn es passend ist.«
    Also, Schlag auf Schlag.
    Der Kartenraum der
Valkyrie
war klein und praktisch, am Tisch hatten kaum mehr als drei Männer Platz. Adam lehnte sich über die Karte. Sein Zirkel wanderte ohne Eile über die Peilungen, die Tiefen und über die handschriftlichen Rechnungen, die einer Landratte nichts bedeuteten.
    Die Tür war offen, und er konnte das helle Sonnenlicht wie das eines Leuchtturms im leichten Auf und Ab der Fregatte hin und her ziehen sehen. Sie hatten Halifax in Begleitung der kleinen Fregatte
Taciturn
und der Brigg
Doon
verlassen – mit sehr gemischten Gefühlen. Sie mußten die
Reaper
aufbringen, um das Ärgernis aus der Welt zu schaffen. Doch das hieß, daß sie dabei durchaus feindliches Feuer auf eins der eigenen Schiffe lenken könnten. Die Amerikaner hatten sicher noch keine Gelegenheit gehabt, die Mannschaft, die übergelaufen war, auszutauschen. Also würden die meisten an Bord, außer den Offizieren und den Berufsseeleuten, Meuterer sein.
    Doch das hatten sie alles schon vor fünf Tagen bedacht. Er spürte jetzt Keens Unsicherheit, seine wachsende Sorge über die nächste Entscheidung.
    Eine Spitze des Kartenzirkels lag auf Kap North, der Spitze Neuschottlands, die den südlichen Zugang zum Golf von St. Lawrence schützte. Jenseits der Meeresstraße lag Neufundland, rund fünfzig Meilen entfernt. Eine enge Passage, doch leicht zu nehmen, wenn der Kapitän entschlossen genug war, durch das Netz zu schlüpfen und einer Gefangennahme zu entgehen. Keen würde die gleichen Gedanken haben. Adam beugte sich tiefer über die Karte. Zwei winzige Inseln, St. Pierre und Miquelon im Süden der zerrissenen Küste Neufundlands, waren eigentlich französischer Besitz. Doch schon zu Beginn der Feindseligkeiten waren sie von Soldaten der britischen Garnison in St. John besetzt worden. Keen hatte aus seiner Überzeugung kein Hehl gemacht: Die Reaper würde genau diese Inseln ansteuern. Daß Reaper von den Amerikanern genommen worden war, wußten die örtlichen Patrouillen bestimmt noch nicht. Diese Strategie stimmte, wenn der Gegner die Garnison angreifen oder die Schifffahrt in diesen Gewässern stören wollte. Die Brigg Dom hatte das Gebiet durchsucht und war zu ihren Begleitern zurückgekehrt, ohne besondere Vorkommnisse zu melden. Dahinter lag der Golf des St. Lawrence-Stroms, die offene Pforte nach Montreal und zu den Großen Seen, zur Marinebasis in Kingston und weiter nach York, der kleinen Hauptstadt des oberen Kanadas.
    Doch der Golf war riesig. In den Buchten und hinter den Inseln konnte sich jedes Schiff verbergen und die Zeit abwarten, bis die Jagd abgeblasen war.
    Er hörte gebrüllte Befehle und das Schrillen der Pfeifen. Die Nachmittagswache wurde achtern gemustert. Aus dem Schornstein der Kombüse drang fetter Rauch. Ein guter Schluck Rum würde den Geruch wegspülen.
    Er blickte auf das Logbuch des Masters. 3. Mai 1813. Und dachte an das kleine, in Samt eingebundene Buch in seiner Seekiste, an die sorgsam gepreßten Teile der wilden Rosen. Mai in England. Ihm war, als erinnere er sich an ein fremdes Land.
    Ein Schatten fiel über den Tisch – Urquhart, der Erste Offizier. Adam hatte in ihm einen guten und

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