Unter dem Georgskreuz
»Mr. Gulliver, durchsuchen Sie mit Ihren Männern das Schiff.« Und als der Leutnant davoneilte, rief er ihm laut nach: »Wer Widerstand leistet, wird erschossen!«
Sie kannten ihn also. Er fragte: »Was war Ihre Absicht, Leutnant?«
Der große Offizier zuckte mit den Schultern. »Ich bin Robert Neill, Kapitän.
Reaper
ist eine Prise. Sie hatte sich uns ergeben.«
»Und Sie sind jetzt Kriegsgefangener. Ihre Männer ebenfalls.« Er machte eine Pause. »Hauptmann Loftus, behalten Sie die anderen im Blick. Sie wissen, was Sie zu tun haben.« Und dann wieder an Neill gewandt: »Sie haben britischen Seeleuten die Gelegenheit zur Meuterei geboten. Genaugenommen haben Sie und Ihr Kommandant die Meuterei begonnen.«
Neill seufzte: »Dazu habe ich nichts zu sagen!«
Er sah, wie beide Offiziere einem Seesoldaten ihre Säbel überreichten. »Wir werden Sie anständig behandeln.« Er zögerte einen Moment, haßte die Stille, den Geruch der Angst. »So wie Ihre Leute mich behandelt haben!«
Dann nickte er Loftus zu und ging zu den Geiseln, die längst auf ihn warteten.
Ein silberhaariger Mann mit einem wachen, jugendlichen Gesicht trat auf ihn zu, ohne sich um das drohende Bajonett eines Seesoldaten zu kümmern.
»Ich bin David St. Clair.« Er streckte ihm die Hand entgegen. »Hier ist meine Tochter Gilia. Ihr Erscheinen war ein Wunder, Sir, ein wirkliches Wunder.«
Adam sah die junge Frau an. Sie war, wie für eine Reise üblich, warm gekleidet und blickte ihn fest und ablehnend an, als sei dies hier der Überfall, nicht die Rettung.
Er sagte: »Ich habe wenig Zeit, Mr. St. Clair. Ich möchte Sie auf mein Schiff übersetzen, die
Valkyrie
, und zwar ehe es zu dunkel wird.«
St. Clair sah ihn fest an. »Ich kenne das Schiff.« Er ergriff seine Tochter am Arm. »Valentine Keens Schiff, erinnerst du dich?« Doch sie beobachtete die Seeleute und die Seesoldaten der
Valkyrie
, als spüre sie selber die Spannung zwischen ihnen und den Gefangenen.
»Sein Flaggschiff«, sagte Adam, »ich bin sein Flaggkapitän.«
Sanft meinte St. Clair: »Natürlich. Er ist ja befördert worden.«
»Wie hat man Sie gefangengenommen?« wollte Adam wissen.
»Wir segelten mit der Crystal, einem Schoner, von Halifax zum St. Lawrence in Geschäften der Admiralität.« Er schien Adams Ungeduld zu spüren und fuhr schnell fort: »Dies hier ist ihre Mannschaft. Die Frau da ist die Frau des Masters. Sie war mit an Bord.«
»Ich kannte Ihren Auftrag, Sir. Ich hielt ihn für gefährlich, kein Zweifel.« Er sah wieder das Mädchen an. »Und ich behielt recht, wie mir scheint.«
Ein Gehilfe des Bootsmanns versuchte, seinen Blick zu fangen.
»Ja, Laker, was liegt an?«
Der Mann schien überrascht, daß sein Kommandant seinen Namen kannte. »Die beiden Yankee-Offiziere, Sir…«
»Schicken Sie sie auf unser Schiff hinüber. Ihre eigenen Leute auch, und machen Sie schnell.«
Er schaute auf die Gangway. Dort war eine Kanone noch immer nicht wieder festgezurrt. Ein großer Fleck auf den Planken wie schwarzer Teer. Es konnte nur Blut sein. Vielleicht hatten sie an dieser Stelle ihren Kommandanten erbarmungslos ausgepeitscht.
Und dann rief er: »Und setzen Sie unsere Flagge.« Bei all der Schande war dies eine winzige Geste.
Einer der amerikanischen Leutnants wandte sich an ihn: »Sagen Sie mir, Kapitän, hätten Sie gefeuert, Geiseln hin, Geiseln her?«
Adam drehte sich um: »Bringen Sie sie nach drüben!« Leise meldete sich St. Clairs Tochter: »Das habe ich mich auch gefragt, Kapitän!« Sie zitterte jetzt trotz ihrer warmen Kleidung. Der Schock und die Erkenntnis, was hätte geschehen können, wurde ihr nur allzu deutlich.
St. Clair legte den Arm um sie und meinte: »Die Kanonen waren geladen und feuerbereit. Im letzten Augenblick haben wohl einige von ihrer ursprünglichen Besatzung sie abgefeuert, um ihre Absicht deutlich zu machen!«
»Der amerikanische Leutnant, dieser Neill, stellt sich wahrscheinlich gerade dieselbe Frage.« Er sah der jungen Frau jetzt genau in die Augen. »Im Krieg gibt es nur wenige leichte Entscheidungen.«
»Das Boot ist klar zum Ablegen, Sir!«
»Haben Sie Gepäck, das nach drüben muß?«
St. Clair führte seine Tochter an die Reling, wo für sie ein Bootsmannsstuhl geriggt war.
»Keins. Wir hatten keine Zeit. Kurz darauf haben sie die
Crystal
zerstört. Irgend etwas explodierte auf ihr.«
Adam musterte das leere Deck und seine eigenen Männer, die daraufwarteten, die
Reaper
wieder in Fahrt zu bringen. Sie
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