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Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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hätten sie wahrscheinlich lieber untergehen sehen.
Und ich auch.
    Er trat an die Reling und überprüfte, ob die junge Frau sicher saß.
    »Auf dem Flaggschiff werden Sie sich wohler fühlen, Madam. Wir werden nach Halifax zurückkehren.«
    Einige von der ursprünglichen Mannschaft der
Reaper
wurden gerade unfreundlich von Loftus’ Seesoldaten nach unten befördert, um hier den Rest der Reise sicher verwahrt zu sein.
    »Was geschieht mit ihnen?« fragte sie leise.
    »Man wird sie hängen«, antwortete Adam knapp.
    Sie sah ihn an, als suche sie in seinen Zügen etwas.
    »Wenn sie auf Ihr Schiff gefeuert hätten, wären wir jetzt alle tot, nicht wahr?« Als Adam schwieg, blieb sie beharrlich: »Das muß man doch auch berücksichtigen!«
    Adam drehte sich plötzlich um. »Der Mann da! Hierher!«
    Der Seemann, der ein rot kariertes, zerknautschtes Hemd trug, kam sofort herüber und grüßte, indem er den Zeigefinger an die Stirn legte. »Sir?«
    »Ich kenne dich!«
    »Ja, Kapitän Bolitho. Auf der
Anemone
war ich vor zwei Jahren der Mann im Großtopp. Sie ließen mich an Land, als ich fieberkrank war.«
    Erinnerungen kamen und mit ihnen Namen aus der Vergangenheit. »Ramsay, was ist in Teufels Namen hier vorgefallen?« Er vergaß die junge Frau, die aufmerksam zuhörte, ihren Vater, alle anderen, sah nur dieses bekannte Gesicht. Keine Spur von Furcht war in ihm zu entdecken. Der Mann war schon längst zum Tode verurteilt, er hatte die Nähe des Todes schon immer gekannt und ihn akzeptiert.
    »Ich gehöre hier nicht hin, Kapitän Bolitho. Nicht zu Ihnen. Das ist alles vorbei.« Er dachte nach, kam zu einer Entscheidung und zog langsam und entschlossen das Hemd über seinen Kopf. Dann sagte er: »Verzeihen Sie, Miss. Hätte es Sie nicht gegeben, hätten wir gefeuert!« Dann drehte er allen seinen Rücken zu, über den das Licht der untergehenden Sonne fiel.
    Adam fragte nur:
»Warum?«
Die junge Frau war entsetzt. Für sie sah der Rücken noch viel schlimmer aus.
    Ramsay war als Seemann derart ausgepeitscht worden, daß sein Rücken kaum noch dem eines Menschen glich. Ganze Streifen zerfetzten Fleisches waren noch nicht verheilt.
    Ramsay zog sein Hemd wieder zurück. »Er hatte einfach seine Freude am Auspeitschen!«
    »Es tut mir leid, Ramsay.« Voller Mitgefühl berührte Adam seinen Arm. Leutnant Gulliver sah ungläubig zu.
    »Ich werde für dich tun, was ich kann!«
    Als er wieder aufsah, war der Mann verschwunden. Hoffnung gab es für ihn nicht, und das wußte er. Und doch hatten diese paar Worte beiden viel bedeutet.
    Unruhig machte Gulliver sich bemerkbar: »Das Boot ist bereit, Sir!«
    Doch ehe der Bootsmannsstuhl nach unten in das wartende Boot gefiert wurde, sagte Adam St. Clairs Tochter: »Manchmal hat man überhaupt keine Wahl!«
    »Fier weg, Wahrschau, Jungs!«
    Er richtete sich auf und sah die anderen an. Er war wieder ihr Kommandant.

Ein zu großer Verlust
    Richard Bolitho wandte den Kopf zur Seite und lehnte ihn gegen den hohen Rücken des Stuhls, um dem Sonnenlicht, das hell durch das Kajütenfenster der
Indomitable
fiel, auszuweichen. Der Stuhl war tief, bequem und mit Leder gepolstert, ein Bergere, den Catherine hatte an Bord schicken lassen, als er seine Flagge zum ersten Mal auf diesem Schiff gesetzt hatte. Der Sekretär Yovell saß am Tisch, während Leutnant Avery von der Heckbank her zwei Boote beobachtete, die von der Brigg
Alfriston
, die bei Sonnenaufgang wieder zu ihnen gestoßen war, zurückruderten.
    Tyacke ließ es sich nicht nehmen, ihr frisches Obst rüberzuschicken. Als ehemaliger Kommandant einer Brigg kannte er den Wert einer hart arbeitenden Mannschaft.
    Es hatte lauten Beifall gegeben, als die
Alfriston
beidrehte, um ihre Depeschen zu verteilen. Der Beifall wurde schnell von den wachhabenden Offizieren unterdrückt, die das offene Skylight der Admiralskajüte sahen und die Wichtigkeit der Nachrichten ahnten, die sie ihm gebracht hatten.
    Tyacke war nach achtern gekommen, um die schwere Leinwandtasche persönlich zu überbringen. Als Bolitho sich nach dem Beifall erkundigte, antwortete er ungerührt: »Die
Reaper
ist wieder unser, Sir Richard!«
    Jetzt blickte Bolitho auf den hohen Stoß Depeschen auf dem Schreibtisch. Da lag der vollständige Bericht der Verfolgung und Eroberung der
Reaper
– in Keens eigener Handschrift, nicht etwa der seines Sekretärs. Ob er seinen eigenen Leuten nicht traute oder gar an seinen eigenen Taten zweifelte, fragte er sich. Es blieb ein vertrauliches

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