Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Georgskreuz

Unter dem Georgskreuz

Titel: Unter dem Georgskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
akzeptieren konnte.
    Er sah den kleinen Schrank, in dem er einen guten Cognac aufbewahrte. Sollte er jetzt trinken, würde er kein Ende finden.
    Noch mehr Schritte an Deck. Das Schiff änderte ganz leicht den Kurs. Die Wanten brummten dumpf. Morgen – was lag morgen an? Am späten Nachmittag war die Brigg
Maruel
neben dem Flaggschiff aufgekreuzt. Sie hatte im Norden zwei Schiffe ausgemacht, auf östlichem Kurs. Er hatte abgedreht, statt Signale zu setzen, was eine kluge Entscheidung gewesen war. Falls die beiden Schiffe Feinde waren, hätte jedes kleine Schiff seine Probleme mit ihnen bekommen.
    Doch in der Nacht konnte sich manches ändern. Vielleicht war alles umsonst. Die Schiffe könnten jetzt einen ganz anderen Kurs laufen. Der Ausguck der
Marvel
hätte sich irren können, denn bei diesen lockeren Patrouillen kam es immer wieder vor, daß man nur das sah, was man entdecken wollte.
    Er dachte an Bolitho. Der Brief von Lady Catherine Somervell hatte ihn gestärkt oder ihn besorgt gemacht, das war schwer herauszufinden. Unerwartet hatte er von seiner Jugend in Falmouth gesprochen und der großen Furcht vor seinem Vater, Kapitän James Bolitho. Er sagte zwar, er habe seine Berufung zum Seemann nie angezweifelt oder in Frage gestellt, doch Avery war innerlich der festen Ansicht, daß Bolitho gerade jetzt seiner so wenig sicher war wie selten zuvor.
    Über die beiden gemeldeten Schiffe hatte er nur gesagt: »Falls sie Feinde sind, ist es unwahrscheinlich, daß sie von der Wiedereroberung der
Reaper
etwas wissen – schon etwas wissen. Wenn sie es wirklich auf den Geleitzug von den Bermudas abgesehen haben, werden sie zu uns stoßen, denke ich. Sie haben sich zu sehr an ihre Erfolge gewöhnt. Diesmal könnten sie ihr Blatt überreizen!«
    Er hätte von jemand anderem sprechen können oder von einer Notiz aus der
Naval Gazette
. So unbeteiligt wirkte er.
    Er strich sich mit den Fingern durchs Haar, ließ seine Gedanken wandern und seine Erinnerungen kommen. So erschien sie ihm hier plötzlich in dieser winzigen Höhle, dem einzigen Ort an Bord, wo er gänzlich ungestört war.
    Wenn sie sich nun nicht getroffen hätten? Er schüttelte den Kopf. Nein, das durfte nicht sein. Das war auch nicht der ganze Grund.
Ich bin fünfunddreißig Jahre alt, Leutnant ohne Aussicht auf Beförderung, nur für diesen Mann da, der mir mehr bedeutet, als ich je geglaubt hätte.
Jener Leutnant Scarlett hatte in den vielen hitzigen Auseinandersetzungen auch immer wieder angedeutet, er warte auf seine Beförderung, ein eigenes Kommando, egal wie klein. Einst hätte das sicher auch für ihn gegolten. Doch dann hatte er keinen anderen Weg mehr gesehen, keinen Ausweg für jemanden wie ihn: Der Makel, der nach jener Kriegsgerichtsverhandlung immer noch an ihm hing war in den Zimmern der hohen Admiralität gewiß nicht in Vergessenheit geraten.
    Ich bin kein rundäugiger Midshipman oder ein junger Leutnant, dem die Welt zu Füßen liegt. Ich hätte nicht weitergehen sollen. Nichts anfangen, sondern sie einfach vergessen sollen… Vielleicht lachte sie ihn in diesem Augenblick aus. Doch er wußte auch, daß ihm das Herz zerbräche, wenn sie es wirklich täte.
    Ich hätte es wissen sollen.
Er war Marineoffizier, der in der Schlacht seinen Mut bewiesen hatte, ebenso im bitteren Kampf ums Weiterleben nach seiner Verwundung. Doch wenn es um Frauen ging, war er ein Kind, völlig unerfahren.
    Das Haus war fast leer gewesen; die Bediensteten wurden erst erwartet, wenn Konteradmiral Sir Robert Mildmays Haus in Bath endgültig geschlossen und verkauft war.
    Sie gab sich gelassen, fast amüsiert, schien es ihm angesichts seiner Gedanken um ihren Ruf, und versicherte ihm, daß die beeindruckende Haushälterin loyal und verschwiegen und die Köchin, die einzig andere Person, die im Haus wohnte, gänzlich taub war. Er hatte oft an die Beschreibung denken müssen: loyal und verschwiegen. Hatte das eine doppelte Bedeutung? Hieß es, sie hatte zahlreiche Affären? Er rieb sich die Stirn. Hieß es, daß sie sich vielleicht auch in diesem Augenblick um eine n anderen Herrn kümmerte?
    Er hörte draußen Schritte, das Klicken von Hauptmann Merricks Stiefeln. Er würde seine Runde bei den Posten machen und im tiefsten Dunkel des Rumpfes Stellen inspizieren, die Tag und Nacht von Posten bewacht waren. Auch dieser Mann hatte seine persönlichen Qualen: Er konnte nicht schlafen, fürchtete sich vor seinen Träumen. Avery grinste verbissen. Ihm ging’s genauso.
    Er

Weitere Kostenlose Bücher