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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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freuen sich, wenn eines ihrer Kinder vorbeikommt und sagt, es muss Kaka, damit sie sich aus dem Staub machen können. Herzliche Grüße!
    Cora
     
    Aber ich möchte jetzt doch kurz noch mal auf mein eigenes Leid als geplagte Schriftstellerin zurückkommen. Ein schwarzer Tag war der 1. Oktober 2008.
    An diesem Tag erschien mein Roman «Schwerelos». Das allein ist ja schon mal Grund zur Beunruhigung, zumal man ständig gefragt wird, ob der Erfolgsdruck nicht ganz grauenvoll sei und ich unter den Erwartungen, wieder einen Bestseller schreiben zu müssen, nicht schier zusammenbräche. Nett.
    Aber ich habe diesen Erfolg nicht gesucht. Er hat mich gefunden. Und so bin ich zuversichtlich, dass, wenn er eines Tages weiterzieht, ich glücklicher darüber sein werde, ihn gehabt zu haben, als unglücklich darüber, ihn nicht mehr zu haben. Immer vorausgesetzt natürlich, es befinden sich bis dahin ein paar Milliönchen auf einem Schweizer Nummernkonto, das auf meinen Namen läuft.
    Trotzdem ist der Tag, an dem ein neues Buch erscheint, immer ein außergewöhnlicher Tag. Es ist der endgültige Abschied von ausgedachten, liebgewonnenen Freunden, mit denen man über Monate hinweg zusammengelebt und gelitten hat.
    Am Erscheinungstag lernen sich zwei Welten kennen, die echte und die erfundene, und ich kann nur noch hoffen, dass die beiden gut miteinander klarkommen.
    Ich hatte mich schon den ganzen Tag lang gewundert, wo der begeisterte Anruf meiner Schwiegermutter blieb. Das «Hamburger Abendblatt» hatte zum Erscheinungstag meines Romans ein Kurzporträt über mich veröffentlicht. Sollte das meiner Schwiegermutter entgangen sein?
    Erst am späten Nachmittag kam ich dazu, zum Zeitungskiosk zu gehen. Ich hatte den ganzen Tag etliche und meiner Bedeutung für den deutschen Kulturbetrieb angemessen wichtige Termine gehabt. Vormittags: Ersten Satz für meine «Brigitte»-Kolumne vor mir herschieben, «Achmed, the dead terrorist» bei «YouTube» gucken und an alle Freunde schicken.
    Mittags: Notfall-Lunch mit liebeskranker Freundin, die von ihrem Mann wegen einer Dickeren verlassen wurde. Wir verstehen die Welt nicht mehr, bestellen doppelte Portionen Nachtisch, und ich mache mir Notizen auf die Speisekarte, darunter der Satz:
    «Wie soll ich als Alleinerziehende einer Dreijährigen bloß einen neuen Mann finden? Schau mich doch an: Ich hab Knete unter den Fingernägeln!»
    Gegen fünf Uhr Ortszeit hielt ich dann schließlich ein «Hamburger Abendblatt» in den Händen. Ein gezeichnetes Porträt von mir auf der Titelseite. Titelseite!
    Was soll ich sagen?
    Meine Schwiegermutter ist eine sensible Frau und hat das Bild bis heute unerwähnt gelassen. Ich sehe darauf aus wie eine grinsende Maultasche an einer kleinen Portion schwarzer, dünner Nudeln.
    «Sympathisch, witzig und irgendwie ganz normal ist diese Autorin …» steht neben der Zeichnung.
    Vielleicht dachte der Zeichner, eine ganz normale Frau muss immer so aussehen, als habe sie allein im Gesicht sechzehn Kilo Übergewicht – jeweils zweieinhalb davon in den Tränensäcken. Meine Haare sahen aus, als hätte ich sie morgens in aller Eile selbst geschnitten, bevor ich meine Kontaktlinsen eingesetzt hatte.
    Die Zeichnung war ein Schlag ins Gesicht für meinen Friseur, für die Trainerin meiner «Complete Body-Work-out»-Gruppe und für den gesamten «Shiseido»-Konzern, mit dessen Produkten ich seit Jahren die empfindliche Partie unter meinen Augen pflege, damit sich dort der Stress, den es bedeutet, prominent zu sein, nicht allzu deutlich niederschlägt.
    Denn prominent ist man bedauerlicherweise immer nur für Leute, die einen nicht gut kennen. Und da hat man ja so wenig davon. Mir wäre es nicht unlieb, wenn mir Teile meines Freundeskreises und meiner Familie mit mehr Ehrerbietung und Bewunderung entgegenträten.
    Clemens hat eine Verabredung mit mir neulich total vergessen. Susanne ruft mich grundsätzlich erst Tage später zurück, wenn überhaupt. Kerstin sagt mir immer die Wahrheit, auch wenn ich sie gerade nicht hören möchte. Und mein Freund David, der in seiner Unbeeindrucktheit von mir und meiner tieferen Bedeutung nur noch von meinem Mann übertroffen wird, deutete an, in meinem neuen Kleid sähe ich aus wie eine Litfaßsäule.
    Insofern behindert durch die Bekanntschaft mit derlei ungemütlichen Menschen, hat mich mein Erfolg leider überhaupt nicht verändert.
    Ich wäre so gerne abgehoben, durchgeknallt und ohne jeden Realitätssinn. Das muss herrlich sein.

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