Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
geht, halte ich mich lieber am Ufer beziehungsweise, um es ganz genau zu sagen, auf dem heimischen Ecksofa auf.
Denn mich plagt die beschämende Vorstellung, dass die dunklen Wassermassen wie im Katastrophenfilm unschuldige Spaziergänger überfluten – und das alles nur, weil ich Wuchtbrumme die eben noch idyllische Winterszenerie betreten und das Eis kaputtgemacht habe.
Immerhin sehe ich jetzt nicht mehr nur dick, sondern endlich richtig schwanger aus. Und ich übergebe mich auch nicht mehr ständig und bevorzugt in unpassenden Momenten.
Mein Körper und ich, wir haben uns einigermaßen an unseren neuen Mitbewohner gewöhnt. Auf den Ultraschallbildern vermag mittlerweile sogar der größte Trottel eine Art von Mensch zu erkennen, und ich habe mich schließlich mit der Vorstellung arrangiert, in den kommenden Monaten auf hohen Schuhen keinesfalls mehr gefährlich sexy auszusehen, sondern gefährlich vom Umkippen bedroht.
Ab und zu unterschätze ich jedoch immer noch meine neuen Ausmaße. Heute Morgen parkte ich zu nah an meinem Nebenmann und konnte nicht aussteigen. Nach dem Yoga wollte ich hurtig zwischen zwei Fitnessgeräten hindurchhuschen und blieb stecken. Und bei einem Stehempfang rempelte ich versehentlich einen zierlichen Kellner mitsamt seinem Tablett mit geschätzten siebzig Champagnergläsern um, an dem ich mich, so der ursprüngliche Plan, elegant hatte vorbeischieben wollen.
Laut Ratgeber hat man als Schwangere im siebten Monat relativ viele Gründe, sich wohl zu fühlen. Meine Erfahrung ist: Das stimmt, vorausgesetzt, man selbst und der zugehörige Partner verfügen über ein gesundes Maß an Humor, Duldungsbereitschaft und den unerschütterlichen Glauben daran, dass auch wieder bessere Zeiten kommen. Das nämlich hilft, die Nächte zu durchstehen, in denen ich mich unflätig stöhnend von einer Seite auf die andere drehe, oder die Morgenstunden, in denen ich oft verstört aus entsetzlichen Albträumen aufwache.
Und auch der Anblick, von meinem Mann bedauerlicherweise in einer ganzen Fotoserie festgehalten, wie ich, zur Entlastung meiner Körpermitte, auf einem riesigen Gymnastikball vor dem Fernseher sitze, eine Packung Dickmann’s-Negerküsse in der Hand, ist nur dann lustig, wenn man davon ausgeht, dass es sich um eine absehbare Phase handelt.
«Da müssen Sie durch, das ist normal», wiederholt der Gynäkologe gnädig und beharrlich.
Aber, ich muss schon sagen, ich frage mich wirklich langsam, warum ausgerechnet bei mir alles normal sein muss. Denn wenn ich in der «Gala» und in der «Bunten» blättere – dank meiner häufigen Arztbesuche macht mir in Sachen Königshäuser und Showbiz derzeit keiner so leicht was vor – sehen die dort abgebildeten Schwangeren irgendwie anders aus als ich.
Ich weiß, es liegt ja ohnehin kein Heil darin, sich mit Supermodels, Schauspielerinnen und anderen Personen zu vergleichen, die einen Körper haben, mit dem man Geld verdienen kann. Aber als Schwangere, wo du eh schon hormonell bedingt hochsensibel bist, trifft dich die Konfrontation doppelt hart.
Da siehst du, wie die prominenten Gebärmütter auf Zwölf-Zentimeter-Absätzen und makellosen Beinen im achten Monat zu glamourösen Abendveranstaltungen schweben, während du selbst abends um kurz nach sieben deine Elefantenfüße hochlegst und schwörst, dir morgen Stützstrümpfe verschreiben zu lassen.
Am letzten Samstag zum Beispiel war ich bei meiner Freundin Anja eingeladen. Die Stiefel, die ich um acht bei ihr in der Diele ausgezogen hatte, passten mir um elf nicht mehr! Ich musste mir die hässlichen Crocs ihres Mannes ausleihen, um überhaupt nach Hause zu kommen. Und das bei zwanzig Zentimeter Neuschnee.
Die Bündchen meiner Socken hinterlassen unschöne Spuren auf meinen Beinen, sodass ich aussehe, als sei ich tagelang gefesselt gewesen.
Entwürdigend!
«Ihr Körper speichert Wasser, das ist ganz normal», sagt der Gynäkologe.
Ja schon, aber warum speichert mein Körper das Wasser für sämtliche derzeit schwangeren Supermodels gleich mit? Warum bin immer ich normal und nicht, beispielsweise, Claudia Schiffer?
Wir haben nämlich eine Menge gemeinsam, die Claudia und ich. Wir kommen beide aus dem Rheinland, haben blaue Augen, wir gehören zur Gruppe der Spätgebärenden, die das klassische Gebäralter zwischen achtzehn und dreißig Jahren deutlich überschritten haben, und wir weigern uns grundsätzlich, dass Oben-ohne-Fotos von uns veröffentlicht werden. Zudem vermute ich, dass
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