Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
schlechte Musik!» Man muss ein Kind genau den Mist durchmachen lassen, den man selber auch als Kind durchgemacht hat.
Beschäftigen Sie Personal, um morgens ausschlafen zu können?
Nein. Ich habe Freunde in Medienberufen, die total leiden, weil sie neuerdings früh aufstehen müssen, um ihr Kind zur Schule zu bringen. Für mich ist der Deal: Du hast jetzt ein Kind und trauerst dem Ausschlafen nicht hinterher, es wird einfach aufgestanden! Natürlich ist es persönlichkeitsverändernd, wenn man eine gute Mutter darstellt, obwohl man sich manchmal gar nicht wie eine Mutter fühlt. Man liefert dem Kind, so gut man kann, ein stabiles Zuhause, aber gleichzeitig guckt man sich selber an und denkt: Was machst du hier eigentlich? Du spielst dem Kind etwas vor, das du innerlich gar nicht hast.
Ihre Romanheldin sagt über Kindererziehung, «dass das Naheliegendste falsch ist und eher alles schlimmer macht». Klüger sei es, auf Ratgeberbücher von Profis zu hören.
Ich lese ja viel Zeitung und merke, dass es gerade der Trend ist zu sagen: «Verlasst euch ganz auf euer Inneres!» Bei mir, muss ich ganz ehrlich sagen, wäre es für alle Beteiligten eine Katastrophe, wenn ich mich auf mein Inneres verlassen würde. Wenn man mich fragen würde, was man macht, wenn ein Kind beim Einschlafen sagt: «Mama, ich habe Angst, dass eine Hexe unterm Schrank ist», würde mein Inneres sagen: «Du musst das Kind beruhigen und ihm sagen, dass das totaler Quatsch ist, denn es gibt keine Hexen und erst recht keine, die unter einen Schrank passen.» Wenn man mit einem Profi spricht, ist meine Lösung vollkommen falsch. Ich würde in hundert Jahren allein nicht darauf kommen, dass man das Kind dann alleinlässt mit seiner Angst. Wenn man versucht, dem Kind die Angst mit vernünftigen Argumenten auszureden, denkt es irgendwann: Mit Mama kann ich nicht über meine Ängste reden. Die sagt immer nur: Hexen gibt es nicht.
Machen einen Kinder zwangsläufig unsexuell, oder kann man guten Sex haben, wenn der Nachwuchs durch die Wohnung tobt?
Sexualität in einem Haushalt mit Kindern geht ganz schnell flöten, weil man in der Alltagsmaschine ist. Man muss so richtig Erika-Berger-mäßige Tricks draufhaben, damit das überhaupt noch stattfindet. Das mag jetzt auch wieder so unromantisch klingen, aber ich finde ja verabreden gut. So spontan, das ist sehr schwierig in einem Haushalt mit Kindern. Wenn das Kind endlich schläft, ist es zu spät, dann ist man müde. Leider ist ja der Alltag mit Kindern total unsexy.
Würden Sie uns heute gegenübersitzen, wenn Sie kein Scheidungskind wären?
Nein. Die Freunde von mir nervt das total, dass ich immer noch nicht über meine Eltern hinwegkomme. Schon in der Schule haben alle gesagt: «Charlotte, guck mal, du hast zwar eine Scheißkindheit, aber dafür kannst du einige Sachen viel toller als andere.» Das finde ich so zynisch: zu sagen, ich soll doch froh sein über die Scheiße, die ich erlebt habe. Mein Sendungsbewusstsein, meine Sucht nach Aufmerksamkeit, dass ich aus Schmerz versuche, irgendwie Kunst zu machen: Ich wünschte, ich hätte das alles nicht. Ich hätte es viel lieber, eine schöne Kindheit gehabt zu haben und heute im Finanzamt zu arbeiten. Das ist überhaupt nicht kokett gemeint.
Immer noch der neunte Monat!
Zieht sich ganz schön hin, für meinen Geschmack.
Ich schreibe meinen Roman «Endlich!» mit Freude und Wehmut und großer Disziplin. Mein erstes Buch, «Mondscheintarif», entstand abends in Begleitung von Alkohol und Zigaretten und nur, wenn nichts Gutes im Fernsehen kam.
Danach schrieb ich zwei Bücher im Urlaub auf Mallorca, dann auf Sylt, schließlich in Berlin.
Zwischenzeitlich hörte ich auf zu rauchen, heiratete, achtete auf meinen Eisprung, erhöhte meinen Rentenanspruch, schrieb tagsüber bei stillem Wasser.
Jetzt trinke ich Schwangerschaftstee, renne alle halbe Stunde zum Klo – für eine volle Blase ist einfach kein Platz mehr in mir –, und Clemens’ Nachbar hat sich schon zweimal über das ständige Getrampel beschwert. Soll froh sein, dass hier keine fünfköpfige Familie wohnt, der Arsch. Ist doch wahr.
Mein Buch handelt von einer vierzigjährigen Frau, die mit ihrem Leben eigentlich recht zufrieden sein könnte, es aber nicht ist. Denn Vera Hagedorn bekommt kein Kind, ihr Mann ist ein anständiger Langweiler, der sie, was sie herausfindet, jedoch unanständigerweise betrügt. Grund genug, das Leben zu verändern. Eigentlich, wenn Vera den Mut hätte.
Es
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