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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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fragt in die Leere des Raumes: «Was wolltest du noch mal haben, Schatz? Ach ja, einen großen Topf Häagen-Dasz.»
    Ich versprach Guido, ihn sofort zu kontaktieren, sollte ich den Erfinder des Appetitverderber-Drinks ausfindig machen.
    Für seine Modenschau hatte ich natürlich versucht, mich extra chic zu machen. Ich befand mich jedoch gerade weder psychisch noch physisch in Topform und trug deswegen ein trägerloses Unterkleid der Marke «Spanx», einen hautfarbenen engen Schlauch, den ich am selben Tag im «Quartier 206» gekauft hatte.
    In der «Welt» hatte ich zuvor in einem Artikel über die «Shapewear der Stars» gelesen, dass Tom Cruise während seiner Hochzeit einen Figurformer trug, um besser in seinen Armani-Anzug zu passen. Angeblich quetscht sich Jennifer Lopez ebenso in Stützunterwäsche wie Gwyneth Paltrow.
    Im Londoner Kaufhaus «Marks & Spencer» sei es jedoch zu einem Störfall gekommen, weil eine Kundin nach der Anprobe die «Spanx»-Unterhose nicht mehr runterbekam und herausgeschnitten werden musste.
    Ich hatte also vorsichtshalber auf eine schweißtreibende und riskante Anprobe verzichtet, mich langatmig mit einer Verkäuferin beraten und mich schließlich für das Model «Hide & Sleek» in Größe M für beachtliche 109,90   Euro entschieden.
    Ich kam mir geradezu kugelsicher verpackt vor, als ich in meinem schwarzen, relativ engen Kleid, darunter der «Spanx»-Schlauch, in hohen Schuhen über den roten Teppich schritt, der mich an den Rand des Laufsteges führen sollte.
    Aber irgendwas stimmte nicht. Nach den ersten drei Schritten begann sich der angeblich bombensicher sitzende Figurformer von meiner Figur zu verabschieden und schob sich langsam von oben und von unten zusammen – bis er sich schließlich als deutlich sichtbare Stoffwurst um meine Hüften herumgekrumpelt hatte. Ich sah aus, als trüge ich einen Rettungsring unterm Kleid.
    Da half kein Ziehen und kein Zerren. Das renitente Teil verharrte stoisch köpermittig, und selbst verzweifelte Korrekturversuche auf der Toilette brachten nur einen kurzfristigen Erfolg.
    Die Show war super. Ich dagegen saß desolat und völlig figurverformt zwischen Sabine Christiansen und Franziska Knuppe – die neben mir wirklich gut aussahen –, und Guido begrüßte mich anschließend mit den Worten: «Dir stehen ein paar Kilo mehr aber wirklich hervorragend.»
    Das «Spanx»-Kleid benutze ich seither zum Polieren meiner Schuhe.
    Und als ich da saß, die schönen Frauen auf dem Laufsteg bewunderte, die herrlichen Kleider, die Berliner Gesellschaft, merkte ich überdeutlich, dass es mir zum Kotzen ging.
    Das war der Moment, als ich beschloss, mich zu verändern.
    Ein Jahr später, nachdem ich in Berlin gelebt, gekündigt, meinen Körper in Form gebracht und meine Figur durch Schwangerschaft ruiniert habe, schreibe ich heute das Kapitel zur Krise von damals in meinem neuen Buch «Endlich!»:

    Frauen um die vierzig, die sich in figurformende Wäsche zwängen, sind auch ansonsten zu allem fähig. Das wurde mir besonders klar beim «Putenessen nur für Puten», zu dem Selma geladen hatte.
    Eines muss man ganz klar so sagen: Du kannst nicht vierzig und gleichzeitig zufrieden sein. Keine von uns wollte, dass ihr Leben bleibt, wie es ist. Die Einzige, die im Einklang mit sich und dem Istzustand ihres Daseins war, schien Selma zu sein.
    «Du hast aber auch wirklich alles, was man sich wünschen kann», moserte Karin, die nach fünfzehn Jahren Ehe angefangen hatte, an ihrem Mann rumzunörgeln und ihm regelmäßig mit Trennung zu drohen, bis der entnervt auszog, um mit Melanie, achtundzwanzig, aus der Buchhaltung seiner Firma eine neue Existenz zu gründen. «Dein Mann geht einer regelmäßigen Arbeit nach, ist ein guter Vater und kommt nicht überraschend früher nach Hause. Dein Liebhaber hat sensible Hände, ist verheiratet und wird euer Geheimnis ebenso konsequent hüten wie du. Was will man mehr?»
    «Jetzt übertreib mal nicht», sagte Selma. «Mir ist klar, dass solche Geschichten nicht lange gutgehen. Fliege ich auf, ist meine Ehe im Arsch. Fliege ich nicht auf, langweile ich mich in drei Jahren mit meinem Liebhaber genauso wie mit meinem Mann. Affären muss man genießen, weil sie kein gutes Ende nehmen.»
    «Wenigstens hast du aufregenden Sex», sagte Elli müde. Sie hat vier Kinder und schlief an ihren rar gesäten freien Abenden regelmäßig um halb elf ein, egal wo. Selma und ich hatten sie schon aus Bars, Kinos und Bowlingcentern raustragen

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