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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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praktisch. Volume Control ist etwas, das beim Baby nämlich nicht ab Werk mit eingebaut ist.
    Der Gebrauch von Feuchttüchern wird dir so selbstverständlich wie das Ein- und Ausatmen. Denn meistens kommt aus irgendeinem Loch deines Babys irgendwas mäßig Appetitliches raus.
    Es ist so, dass doch einiges stimmt, was einem erfahrene Mütter und Hebammen erzählen. Leider.
    Die Behauptung, dass man als Mutter den Tag über gerne mal im Schlafanzug herumläuft und froh ist, wenn man bis zum Nachmittag überhaupt eine Dosensuppe gegessen hat, hielt ich zum Beispiel für weit hergeholt.
    Mein Körper ist an regelmäßige, qualitativ hochwertige und sehr große Mahlzeiten gewöhnt. Und meine Schlafanzüge sind nicht repräsentabel.
    Was soll ich sagen? Bereits heute, keine drei Wochen nach der Geburt, wundert sich der Postbote – er kommt so gegen vierzehn Uhr –, wenn ich ihm geschminkt und komplett bekleidet die Tür öffne und meine Haare nicht aussehen, als hätten sie nachts versucht, meinen Kopf zu verlassen – und zwar jedes in einer anderen Richtung.
     

    Dosensuppen sind mir mittlerweile echt zu aufwendig in der Zubereitung. Käsebrot, Schokoriegel, kalte Bockwürstchen mit fertigem Gurkensalat. Alles Delikatessen für Frauen, die gerade das Windelwechseln, Kinderwagenschieben, Stillen, Nervenbewahren, Muttersein erlernen.
    Im Grunde genommen bist du den ganzen Tag mit der Säuglingspflege beschäftigt.
    Eine weitere betrübliche Tatsache, die leider ebenfalls der Wahrheit entspricht, ist, dass einem mit der Nachgeburt auch der Humor abgeht.
    Es ist eine Sache, wenn ich selbst mein Kind als «Dickmops mit Kartoffelnase, der zunehmend aussieht wie Menowin Fröhlich» bezeichne. Ich darf das sagen, denn es entspricht den Tatsachen, aber ich liebe ihn trotzdem.
    Aber schon der gehauchte Versuch eines Fremdscherzes auf Kosten meines Sohnes, und jahrzehntelange Freundschaften stehen binnen Sekunden zur Diskussion. Eine Freundin bezeichnete meinen kleinen Jungen neckisch als «langweilig», weil er ihren Besuch verschlief. Und ein Freund aus Berlin sagte belustigt bei seinem ersten Besuch: «Hübsch sieht er ja nicht aus, aber dafür interessant.»
    Und als neulich unsere Nachbarin einen Blick in den Kinderwagen warf und rief: «Oh! Der hat aber … äh … süße Socken!», musste mein Mann mich tagelang trösten und an Zeiten erinnern, in denen wir selbst zu den Leuten gehörten, die glaubten, man könne mit Eltern umgehen wie mit ganz normalen Menschen.
    Mein Sohn ist kräftig gebaut, daran ist nichts herumzudeuteln. Und mir ist selbst klar, dass es Babys mit, nun ja, feineren Zügen und angesagterer Frisur gibt.
    Bei einem Abendessen bei Freunden, das wir am vergangenen Wochenende mit ihm besuchten, kam er bedauerlicherweise neben einem bezaubernden Prachtbaby zu liegen.
    Im Keller hatte Flora, die Gastgeberin, einen Au-pair-überwachten Bereich für die beiden angekündigten Neugeborenen und andere schlafbedürftige Menschen, wie zum Beispiel Betrunkene, eingerichtet.
    Ich betrachtete meinen weitgehend haarlosen, pickeligen Moppel, der neben dem elfenhaften Mädchen mit dunklen Löckchen keine gute Figur machte, und stellte fest, dass Schlomo der erste Mann ist, den ich bedingungslos super finde und sogar mit Bauch und Glatze liebe.
    Gleichzeitig stellte ich fest, dass ich meine Stilleinlagen vergessen hatte. Aber mit der Hilfe des Au-pair-Mädchens gelang es mir, aus zwei Slipeinlagen leidlich tauglichen Ersatz zu basteln.
    So viel zur Restwürde frischgebackener Mütter. Die ist kaum größer, als eine Slipeinlage dick ist.
    Wie unglaublich gut und beruhigend ist es doch in diesen aufregenden Zeiten, wenn die Hebamme zum täglichen Hausbesuch kommt und dir dein Baby und die traurigen Überreste deines Körpers erklärt.
    Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich jemals ohne sie leben soll. Ich sehe sie jedes Mal mit Wehmut gehen. Und heute hat sie sich für immer verabschiedet. «Hab Vertrauen in dich und dein Kind», sagte sie.
    Ich sah ihr nach. Irgendetwas hing an ihrem Absatz. Ich wollte ihr noch nachrufen. Aber sie war schon zu weit weg.
    Es war eine selbstklebende Stilleinlage.

«In der Wahl der Eltern
    kann man nicht vorsichtig genug sein.»
    PAUL WATZLAWICK
    2. Juni
    M ein Körper ist ein einziges Ärgernis. Im Spiegel schaue ich nicht so genau hin, und beim Duschen würde ich am liebsten Sichtschutzzäune errichten und den Luftraum über mir weiträumig absperren wie bei der Hochzeit von Angelina

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