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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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möchtest. Ich habe mich für meine Söhne zum Affen gemacht und im PEKiP-Kurs mit sechs anderen Müttern um unsere Babys herum im Kreis Tarantella getanzt.»
    «Oh. Herzliches Beileid.»

    Überflüssig. «Wenn du dich einmal darauf einlässt, kommst du dir nicht einmal mehr blöd vor.»
    «Ich glaube, so weit möchte ich es nicht kommen lassen. Und wie läuft’s bei dir so?»
    «Mein Fünfjähriger schläft jetzt wieder bei uns im Bett.»
    «Ist doch süß.»
    «Heute Nacht hat er mir im Schlaf ins Gesicht getreten. Ich hatte eine Stunde Nasenbluten. Genieß bloß die Zeit, solange sich deiner noch nicht richtig bewegen kann.»
     
    Am nächsten Tag ging ich naturgemäß voller Vorbehalte zum ersten PEKiP-Kurs und war schon heilfroh, als uns die Kursleiterin in Zimmerlautstärke begrüßte und mich nicht mit schrabbeligen Stofftieren bewarf.
    Patentante Mona hatte ich vor wenigen Wochen erleichtert berichtet, dass ich den letzten freien Platz in dieser Gruppe ergattert hatte. Um PEKiP- und Kindergartenplätze bemüht man sich nämlich am besten bereits vor der Zeugung des Kindes.
    Ich hatte etliche Absagen bekommen, teilweise mit so ermunternden Äußerungen wie: «Glauben Sie mir, es geht auch ohne PEKiP. Mein Sohn zum Beispiel hat trotzdem studiert.»
    Ich möchte ja auch gar nicht unbedingt, dass mein Sohn studiert. Mein Mann hat studiert, und ich weiß, was dabei herauskommt: Wenn man den Videorecorder programmieren oder ein «IKEA»-Regal aufbauen will, muss eine hochbezahlte Fachkraft engagiert werden.
    Mein Sohn soll das tun, womit er glücklich wird. Hauptsache, er lässt sich nicht tätowieren, feiert Weihnachten bis Mitte dreißig zu Hause, lässt die Tür zu seinem Zimmer einen Spaltbreit auf, wenn er Mädchenbesuch hat, und wird Elektriker, Trockenbauer oder Schönheitschirurg. So was kann man zu Hause immer gebrauchen. Mehr verlange ich ja gar nicht.
    «PEKiP? Was ’n das?», hatte Mona ahnungslos gefragt. «Die Abkürzung steht für Prager Eltern-Kind-Programm», erläuterte ich altklug, kam aber nicht weiter, weil sie begeistert schrie, da würde sie unbedingt mitmachen wollen, auch ohne eigenes Baby, und wann sie den Schlomenberger denn mal dorthin begleiten könne.
    Ich war schon geschmeichelt ob dieses rührenden Engagements für ihr Patenkind – bis sich herausstellte, dass sich die Tante verhört und «Prada-Eltern-Kind-Programm» verstanden hatte.

    «PEKiP» ist eine Versammlung nackter Babys, die in einem warmen Raum auf Gummimatten rumliegen und von ihren engagierten Müttern früh gefördert werden.
    Viel kann ich dazu noch nicht sagen, außer, dass mir die Chefin Petra robust und sympathisch erschien, mein Sohn das jüngste und dennoch dickste Kind war, eigentlich die meiste Zeit schrie und seinem Unmut zusätzlich Ausdruck verlieh, indem er das neben ihm liegende Mädchen anpinkelte. Sie hieß Emily, wie die meisten anderen Mädchen in diesem Raum auch.
    Als wir wieder zu Hause waren, schlief Schlomenberger auf der Stelle in vorwurfsvoller Körperhaltung für den Rest des Tages ein.

Schlomo ist zwölf Wochen alt.
    Wenn ich meinem Sohn seine Rassel vors Gesicht halte, folgt er ihr mit den Augen! Rechts, links, rechts, links, rechts, links.
    Ich erwäge, das Nobelpreiskomitee zu informieren.
    Immerhin bin ich verstandesmäßig noch in der Lage, festzustellen, dass ich jetzt eine von denen bin. Eine von denen, die mir früher immer auf den Senkel gegangen sind.
    Ich bin eine von denen, die viel Platz wegnehmen, die Leute stören und ein Chaos hinterlassen. Eine, die ihre mühselig verdiente Kohle nicht in die neue Generation Smartphones, sondern in ein Babyphon investiert. Hinter mir bilden sich lange, zischelnde Schlangen, wenn ich mal wieder an der Kasse stecken bleibe, weil der verdammte Kinderwagen nicht durchpasst.
    Wenn ich in einen vollen Bus einsteigen will, werden Morddrohungen schon mal offen formuliert, besonders dann, wenn das Baby nicht nur schreit, dass beinahe die Scheiben platzen, sondern das Gebrüll kurz unterbricht, um halbverdaute Milch in säuerlichen Bröckchen schwallartig über die Fahrgäste zu verteilen.
    Und wenn du mit drei Müttern aus deinem Frühförderungskurs plus den dazugehörigen Kindern, Kinderwagen und Wickeltaschen ein Café ansteuerst – die übrigen Gäste könnten nicht erschrockener aussehen, würde eine Herde außer Kontrolle geratener Wasserbüffel auf sie zugaloppieren.
    Am schlimmsten ist es ja – ich weiß das, denn es ist mir selbst

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