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Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)

Titel: Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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mittags in unseren Schlafanzügen auf dem Bett rumgelegen, dem lieblichen Rascheln von Pralinenpapier gelauscht, dem Kindsvater per Telefon durchgegeben, was wir am Abend zu essen wünschten. Nur ab und zu wurde das idyllische Miteinander unterbrochen, weil Mutter sich kurz aufraffte, um im Spiegel nachzuschauen, ob ihre Wangen schon eingefallen waren.
    Jetzt beginnt der Ernst des Lebens für uns beide. Frühkindliche Förderung steht auf dem Programm. Außerdem der Besuch eines Rückbildungskurses zur Straffung des Beckenbodens, der Bauchdecke, der Pomuskulatur, der Oberschenkel, na ja, eigentlich des Komplettkörpers. Für mich kaufte ich also eine Übergangssporthose, in die ich mit meiner neuen Figur reinpasste, und mit meinem Sohn ging ich in zwei verschiedene PEKiP-Kurse und einen Babymassage-Kurs.
    Das mag man nun als etwas übertrieben empfinden, aber ehrlich gesagt, fange ich langsam an, mich allein mit Schlomenberger zu Hause zu langweilen, und finde, etwas Abwechslung könnte uns beiden nicht schaden.
    Den Babymassage-Kurs besuchte ich allerdings genau einmal.
    Ich tue mich ja wie gesagt schwer mit Frauen, die sanfte Stimmen ihr Eigen nennen. Die machen mich aggressiv, wenn sie immer so betont leise sprechen und damit alle anderen zwingen, auch ganz leise zu sein.
    Ich bin nicht gern leise, und mein Sohn ist durchaus daran gewöhnt, dass ich in normaler Lautstärke mit ihm spreche.
    Jedoch, die Massagekurs-Leiterin begrüßte uns flüsternd und sagte, sie heiße Marianne und habe zwei große Söhne. Dann sollten wir uns und unsere Kinder einander vorstellen.
    Nach der Vorstellungsrunde – es waren unter anderem zwei Emilys anwesend, ein Leo, ein Lennart und ein Leon – kramte Marianne in ihrer Tasche, zog ein schmuddeliges Stofftier hervor, schaute bedeutungsschwanger in die Runde der auf Matten hockenden Mütter, warf mir plötzlich das Tier zu und sagte sanft: «Hallo, liebe Ildikó.»
    Ich verstand nicht ganz und schaute befremdet auf den gelben Stoff-Frosch in meinen Händen.
    «Damit wir uns besser kennenlernen, werden wir uns von nun an zu Beginn jeder Stunde den Frosch zuwerfen. Du, Ildikó, wirfst das Tier jetzt einer anderen Mutter zu und begrüßt sie und ihr Kind ebenfalls mit Namen. Und so weiter.»
    Sonst noch Wünsche? Selbstverständlich hatte ich mir keinen einzigen Namen gemerkt. Schon unter normalen Bedingungen habe ich ein absolut unzuverlässig funktionierendes Namensgedächtnis. Ich flüsterte also beschämt was von Stilldemenz und dass ich nicht richtig aufgepasst hätte, aber beim nächsten Mal bestimmt eine zufriedenstellendere Leistung erbringen würde, und schob den Frosch beschämt zu meiner Nachbarin rüber.
    Das war also schon mal nicht gut losgegangen.
    «Wir werden jetzt ganz langsam und vorsichtig unsere Kinder bis auf die Windel ausziehen», sagte Marianne. «Aber es ist ganz wichtig, dass ihr dabei die Wünsche eures Kindes beachtet. Ich mache das mal an dieser Puppe vor. Sie heißt Lena.»
    Marianne begann also die Puppe Lena zu entkleiden und sprach dabei mit selbstverständlich ultrasanfter Stimme auf sie ein: «Ist es in Ordnung, kleine Lena, wenn ich dir jetzt dein Pullöverchen ausziehe? Jetzt käme dann die Hose an die Reihe. Und nun, Lena, würde ich dir gerne, aber nur, wenn du einverstanden bist, den Body gaaaanz vorsichtig über den Kopf ziehen.»
    Die Lena hatte überraschenderweise nichts einzuwenden und lag schließlich nackt, wie der Hersteller sie geschaffen hatte, auf der Matte.
    Ich wollte meinen Schlomo in einem von der Marianne unbeobachteten Moment ruck, zuck ausziehen. Denn langsam und vorsichtig ist der nicht gewohnt von seiner Mutter. Da würde der Lunte riechen, dass hier was nicht stimmte. Aber Marianne zwang uns, zu jedem entfernten Kleidungsstück eine Liedstrophe zu singen.
    Auf die Melodie von «Bruder Jakob» hörte ich mich also tatsächlich folgenden Blödsinn von mir geben:
«Kleines Kindchen, kleines Kindchen,
gib fein acht, gib fein acht,
werd dich jetzt ausziehen, um dich zu berühren,
wenn du magst, wenn du magst.»
    Noch am selben Abend rief ich Johanna an, um mich bei ihr zu beschweren. Schließlich war sie es gewesen, die mich in diesen Kurs-Blödsinn reingequatscht hatte.
    «An sanfte Stimmen wirst du dich gewöhnen müssen», sagte Johanna ungerührt. «Und auch daran, dass du Dinge tun wirst, die du niemals für möglich gehalten hättest und bei denen du auch unter keinen Umständen von normalen Menschen beobachtet werden

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