Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
früher ab und zu passiert –, wenn man als kinderlose Frau in eine Horde solcher engagierter Muttertiere gerät.
Ein biologisch bedingtes Grundinteresse voraussetzend, quatschen die einen schonungslos voll mit uninteressanten und teilweise auch unappetitlichen Geschichten.
Dabei ist es nicht so, dass jede Frau, weil sie theoretisch Kinder kriegen kann, auch automatisch Kinder mag. Ich persönlich konnte mit Kindern unter, na ja, sagen wir fünfundzwanzig Jahren immer nur wenig anfangen.
Und als ich schwanger wurde, nahm ich mir fest vor, keine typische Mutti zu werden. Muttis reden nur über Kinder, zeigen sich schnatternd gegenseitig ihre Kaiserschnittnarben und tragen entweder bereits vollgekotzte Pullover oder aber solche, bei denen es nicht schade drum wäre, wenn sie vollgekotzt würden.
Muttis trinken entkoffeinierten Kaffee und schuckeln dabei versonnen und ozeanisch lächelnd ihren Kinderwagen.
Johanna, die ja zwei Kinder großgeschuckelt hat, ist die stetige, rüttelnde Bewegung in Fleisch und Blut übergangen. Noch heute steht sie manches Mal an der Wursttheke, um dort selbstvergessen das Rinderhack anzulächeln, gleichzeitig ihren Einkaufswagen zu schuckeln und sich darüber zu freuen, dass keiner schreit.
Ich aber wollte unbedingt eine lässige, eine untypische Mama werden. Das hatte ich mir geschworen, als sich beim Pipi-Test die zweite Linie zeigte. Gut gekleidet, gut verdienend, gut ausgeschlafen, gut informiert über das Weltgeschehen und mit einem Freundeskreis, in dem über neue Filme und nicht über neue Windelentsorgungssysteme diskutiert wird.
Ich muss mir leider eingestehen, dass mir das nicht zu hundert Prozent gelungen ist. Ich renne vollkommen begeistert zu jedem sich mir bietenden Kursus: Frühförderung, Babyschwimmen, Rückbildung. Typisch überengagierte Spätgebärende.
Ich gehe meinem Sohn rund um die Uhr auf die Nerven, und Informationen aus dem wirklichen Leben erreichen mich nur höchst spärlich.
Ich hänge tagsüber schuckelnd in Cafés rum mit Müttern, von denen ich nicht weiß, was sie beruflich machen oder wo sie wohnen. Ich kenne teilweise ihre Vornamen nicht beziehungsweise gebe mir keine Mühe, sie mir zu merken.
Aber ich kenne das Geburtsgewicht ihrer Kinder, ich weiß, ob ihre Babys die Flasche nehmen, Verdauungsschwierigkeiten haben, bei welchem Lied sie am besten einschlafen, wie oft sie nachts aufwachen und auf welche Windelsorte sie mit Pickeln am Po reagieren. Ein dankbares, immer wieder aufkommendes und ebenso unerschöpfliches Thema in meiner Mütterrunde ist auch: Väter und was alles dabei herauskommt, wenn sie versuchen, sich nützlich zu machen.
Der Vater meines Kindes hat bisher noch keine größeren Schäden angerichtet – wenn man mal davon absieht, dass er bis heute nicht die Notwendigkeit von Bodys anerkennen will und die Jeans gerne direkt über die Windel zieht. Mützen und Strumpfhosen hält er für verweichlichende, unmännliche und im Grunde nutzlose Accessoires.
Was mir Sorgen bereitet, ist, dass er unseren Schlomuckel, so die neueste Variante, ständig fotografiert. Ich befürchte mittlerweile, dass unser Sohn demnächst jeden Touristen und jeden üblen Paparazzo wohlwollend und vertrauensselig mit «Papa!» begrüßt.
Das sind meine Probleme, das sind meine Themen, das sind meine Leidenschaften.
Ich habe völlig unterschätzt, wie sehr die Baby-Welt mich in ihren Bann zieht und mit welcher Neugier und Intensität ich mich darauf einlassen kann.
Das fiel mir mal wieder eindringlich auf, als ich jüngst einem Exemplar dieser absonderlichen Spezies «neugeborene Mutter» beim Einkaufen begegnete.
Und nein, mit Einkaufen meine ich natürlich nicht, dass ich in einer teuren Boutique meterhohe Wedges-Sandaletten oder Tops in modischen Sorbet-Farben anprobierte.
Unter Einkaufen verstehe ich derzeit, mannshohe Windelpakete aus Drogeriemärkten zu schleppen oder verzückt eine Menge Geld in topflappengroße Kordhöschen zu investieren.
«Hallo, wie geht’s?», fragte ich also die mir namentlich natürlich nicht bekannte Mutter von Amelie, vier Monate alt, hinter einem Berg aus Feuchttüchern und Wickelunterlagen hervor. Und die Amelie-Mutter sagte: «Geht so. Wir haben seit gestern grünflüssigen Durchfall.»
Das mag nun in den Ohren des einen oder anderen eklig klingen. Aber das ganz besonders Schlimme an dieser befremdlichen Antwort ist, dass ich mich keine Sekunde darüber wunderte. Im Gegenteil.
Hochmotiviert und interessiert
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