Unter dem Herzen: Ansichten einer neugeborenen Mutter (German Edition)
Sie interessieren. ‹Eye-Repair›, ‹Body-Booster› und der ‹Stimulus-Complex› könnten bei Ihnen Schlimmeres verhindern.»
Und ich sehe mich mein Auto verkaufen, um mir wenigstens die Augenreparatur leisten zu können, und greife nach dem Prospekt, in dem es die Kaufpreise der hochwertigen Pflegeprodukte nur auf Anfrage gibt, so wie bei Immobilien in Bestlage und bei Rotweinen, die extra aus dem Keller hochgeholt werden müssen.
Ja, ich gebe es zu: Ich wechsle Kosmetiklinien wie eine Nymphomanin ihre Sexualpartner, und am liebsten würde ich mich auch einmal im Jahr neu krankenversichern lassen und mich monatlich nach einem neuen Steuerberater, Arzt, Stromanbieter, Bodenbelag, Partner und Lippenkonturenstift umschauen.
«Es ist wichtig und richtig, immer eine zweite Meinung einzuholen», tröstete mich neulich Hubertus Primus, Chefredakteur der Zeitschrift «test». «Bei Experten im Fernsehen würde ich grundsätzlich weghören, und bei all den anderen rate ich: Stellen Sie sich dumm, haken Sie nach und lassen Sie sich von Fremdwörtern nicht einschüchtern. Mein Leitsatz lautet: Blamiere dich täglich! Haben Sie keine Scheu, sich nach der Ausbildung des jeweiligen Experten zu erkundigen, und fragen Sie ihn ruhig mal: ‹Woher wissen Sie das?› Erfahrung zählt, das ist wie im richtigen Leben. Eine Mutter von mehreren Kindern weiß, wovon sie redet, wenn es um Tipps zum Durchschlafen geht.»
Hubertus Primus, der Experte im Umgang mit Experten, ist zufälligerweise Vater von vier Kindern. Und da habe ich ihn aus aktuellem Anlass natürlich gefragt, wie sein Rat gegen den wunden Babypopo lautet. Herr Primus sagte: «Dieses Problem ist bei meinen Kindern schon lange her. Aber eines erinnere ich noch genau: Bloß nicht dick eincremen!»
«Ich fürchte, unsere allzu sorgfältige Erziehung
liefert uns Zwergobst.»
GEORG CHRISTOPH LICHTENBERG
15. Juli
M ein Sohn lächelt!
Dafür hat er allerdings jetzt fast gar keine Haare mehr. Alle weg, bis auf einen Kranz dürrer blonder Löckchen, die an eine Tonsur erinnern. Von hinten sieht mein Schlominsky aus wie ein fetter kleiner Mönch. Von oben wie ein unsachgemäß gerupfter, kleiner dicker Spatz. Und von vorne immer noch eins zu eins wie der Vater.
Immerhin ist sein Po nicht mehr wund.
Hätte gleich auf meine anbetungswürdige Kinderärztin hören sollen: Teebeutel mit schwarzem Tee aufkochen, abkühlen lassen, auf den Po legen, Windel zu und nach zwanzig Minuten rausholen. Das Ganze mehrmals am Tag.
Nach zwei Tagen war alles wieder gut und ich voller Stolz. Das sind sie also, die Erfolgserlebnisse der Säuglingsmütter. Nicht gerade als aufsehenerregender Partytalk verwendbar, nichts, womit man gutaussehende Männer um sich scharen könnte.
Bei solchen Geschichten hängen dir nur Muttis an den Lippen.
Es wird also Zeit, dass ich mich mal unter meinesgleichen mische, Mütter- und Babybekanntschaften schließe und endlich einsehe, dass sich überschüssige Schwangerschaftspfunde nicht freiwillig verabschieden.
Acht Wochen nach der Niederkunft ist die Schonfrist vorbei. Und zwar für alle, die direkt an der Geburt beteiligt waren. Das bedeutet: Bildung für das Baby und Rückbildung für die Mutter.
Mein unsensibler Frauenarzt hatte mich schon frühzeitig darauf hingewiesen, dass es keinen Grund gäbe, während der Stillzeit für zwei zu essen. Natürlich wohl wissend, dass ich sowieso immer mindestens für zwei esse, egal ob ich gerade noch jemanden miternähre oder nicht.
Mir hatten allerdings mehrere stillerprobte Frauen versichert, sie hätten nach zwei bis drei Monaten Stillen angefangen, rapide an Gewicht zu verlieren. Sie sprachen von eingefallenen Wangen, dahinschmelzenden Oberschenkeln und schlabberigen, die schlanken Hüften sanft umspielenden Jeans in Größe 27. «Während der Stillzeit konnte ich essen, was ich wollte. Es war herrlich!»
Das hatte ich so oft gehört, dass ich mich bereits vor der Geburt meines Sohnes mit mehreren Familienpackungen Eiscreme und einer raumgreifenden Kollektion «Ritter Sport»-Schokoladen eingedeckt hatte.
Es war mir zwar nicht gelungen, das ganze Zeug bis zur Niederkunft unberührt zu lassen, aber ich hatte die leeren Lager rechtzeitig wieder aufgefüllt, sodass ich gutgerüstet in die Zeit ging, in der ich zum ersten Mal in meinem Leben hohlwangig sein würde.
Darauf warte ich bis heute. Und damit ist jetzt Schluss.
Mein Baby und ich, wir haben uns lange genug gehenlassen. Haben bis
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