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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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und Scharlach baten ihn vergebens, das nicht zu tun – der starrsinnige Chaïlsa wollte nicht hören. Die Aufrührer wussten auch sehr gut, was sie erwartete, wenn es der Karawane gelänge, aus dem Hafen zu fahren, und dass ihr letzter verzweifelter Ansturm zurückgeschlagen wurde, grenzte an ein Wunder. Auch ein anderer sonderbarer Umstand entging nicht der Aufmerksamkeit des Karawanenführers: Die wütendsten Angriffe galten der Postgaleere Scharlachs, der den hiesigen Einwohnern anscheinend mächtig zuwider war, dafür bewegte sich Ar-Mauras Schiff praktisch ungehindert. Mit den riesigen Rädern die Leichen der Aufrührer zerquetschend, fuhr der Salamander mit blutbefleckten Bordwänden durch den gewundenen Sandkorridor und führte die Karawane in die Wüste hinaus. Und alsbald konnte der ehrwürdige Chaïlsa gar nicht gleich an sein Glück glauben: Von Süden her näherte sich dem Schatten Ar-Ajafas unter vollen Segeln, mit blitzendem Rammsporn und schrecklich funkelnden Sicheln, mit vergoldeten zartrosa Heckaufbauten ein Kriegszweimaster mit im Winde flatternden blendend weißen, zerrissenen Wimpeln: der Samum .
    Die Begegnung kam derart unerwartet, dass es keinen Sinn hatte zu wenden. Hätte Ar-Scharlachi gewusst, was sich gerade im Hafen abspielte, hätte er den Samum natürlich Kurs weiter rechts nehmen lassen und versucht, die linke Flanke der sich entfaltenden Karawane zu durchbrechen, um in den aufständischen Hafen durchzuschlüpfen. Der bevorstehende Kampf erschien ihm völlig aussichtslos, doch dem Kampf auszuweichen war unmöglich. Die einzige denkbare Entscheidung, ein Angriff auf das Flaggschiff, konnte ebenfalls nicht zum Erfolg führen, denn der Karawanenführer sah diesen ganz natürlichen Zug selbstverständlich voraus. Dennoch befahl Ar-Scharlachi, den Salamander anzugreifen.
    Dieser Befehl wurde nicht ausgeführt, und schuld daran war Aliyat – möge ihr auch in Zukunft der böse Räubermond beistehen! Als sie unter den Angreifern die bekannte Postgaleere erblickte, verlor sie den Verstand, stürzte ins Deckhaus, schob einen der Räuber beiseite und stellte sich selbst ans Steuer.
    »Schakal!«, kreischte sie, bleckte die Zähne unterm Schleier und stemmte sich gegen die Griffe des Steuerrades. »Gegen die eigenen Leute? Zusammen mit den Nacktfressen?«
    Ar-Scharlachi wollte sie wegstoßen, verspürte aber plötzlich solch einen Gram, solche Hoffnungslosigkeit, dass er abwinkte und zurücktrat. Das alles spielte gar keine Rolle mehr. Er hatte den Kampf so oder so verloren.
    Der Mannschaft der Postgaleere aber war die neue Angriffsrichtung keineswegs egal. Mit dem Kupfer des Rammsporns funkelnd, wälzte sich der Samum schwer auf das zerbrechliche Schiffchen zu, das dem Stoß verzweifelt auszuweichen suchte. Und man muss Scharlach Gerechtigkeit widerfahren lassen: Er manövrierte glänzend. Der Rammstoß des Samum traf ins Leere, und die blanke Sichel des linken Rades ging in einem Schritt Abstand vom niedrigen Heck der Postgaleere vorbei. Dieser unerwartete Zug hatte jedoch die ursprünglichen Pläne des Karawanenführers Chaïlsa etwas durcheinandergebracht. Jetzt befanden sich der Salamander , die leichte Galeere Scharlachs und der Samum auf einer Linie. Freilich änderte auch das nichts: Indem sie das Postschiff verfehlte, hatte Aliyat die rosa Bordwand des Samum dem Schiff Ar-Mauras ausgesetzt. Und just in diesem Augenblick verstand kein an dem Gefecht Beteiligter mehr, was vor sich ging.
    Anstatt anzugreifen, ging die Düne , der Einmaster Ar-Mauras, in eine Kurve, und dann trat auf ihm das Katapult in Aktion. Ein struppiger Klumpen brennenden Pechs flammte über der Wüste auf und traf als lodernder See auf den Boden – zehn Schritt vom Salamander entfernt. Der Karawanenführer fluchte und befahl, dem Richter zu signalisieren, er möge sofort zum Rammstoß ansetzen. Als Antwort stieg ein weiteres Brandgeschoss in den von drückendem Glast dunklen Himmel. Jetzt stand es fest: Der erste Schuss war kein Zufall gewesen, die Düne beschoss den Salamander .
    Als Erster kam Scharlach zur Besinnung. Beim zweiten Schuss war das Bild für ihn völlig klar: Richter Ar-Maura hatte den entscheidenden Augenblick abgepasst und war auf die Seite seines alten Freundes übergegangen, womit er das Kräfteverhältnis ausgeglichen hatte. »Hauptsache, sich rechtzeitig zu verdrücken.« Dieser Räuberregel eingedenk, wendete Scharlach die Galeere und ließ sie einen Bogen um die beiden Schiffe des

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