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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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Angebot unseres Gastes lieber verzichten. Der ehrenwerte Scharlach möchte aus mir unverständlichen Gründen seine wahren Motive nicht nennen, und das eröffnet gewisse Verdachtsmomente. Ich würde seine Galeere nicht in die Karawane aufnehmen.«
    Es folgte Schweigen, durchbrochen nur vom Anstoßen des Kruges an den Rand einer Schale – Scharlach goss sich mit zitternder, behaarter Hand Wein ein. Der Karawanenführer und der Richter warteten.
    »Schön«, murmelte Scharlach schließlich, ohne getrunken zu haben. »Da ist noch etwas … Ich wusste ja nicht, dass sie am Leben geblieben war …«
    »Aliyat?«, vergewisserte sich Ar-Maura.
    »Na ja … Und sie ist ja eifersüchtig wie …« Scharlach suchte nach einem Vergleich, fand aber keinen. »Und irgendein Schakal hat ihr geflüstert, dass ich eine Neue habe …« Er verzog vor Scham sogar das Gesicht, hob den Rand des Schleiers an und leerte die Schale mit einem Zug. »Und als sie es erfahren hat, ist sie zur Furie geworden. Beim bösen Mond soll sie geschworen haben, dass sie mich findet und unters Rad legt. Mich, und die Neue auch …«
    »Das ist allerdings sehr ernst zu nehmen«, teilte der Richter dem Karawanenführer mit, der Scharlach erstaunt und ungläubig anstarrte. »Ich weiß, von wem die Rede ist. Glaub mir, diese Person ist dazu durchaus imstande. Ich würde mich übrigens nicht wundern, wenn sich herausstellt, dass sie es war, die die Meuterei auf dem Samum angezettelt hat …« Er wandte sich wieder dem Räuber zu. »Fahr fort, Ehrenwertester.«
    »Nun ja«, schloss dieser widerwillig. »Sie haben zwei Schiffe gegen meine Postgaleere, und mehr Leute haben sie auch … Meine Verstecke kennt sie alle … Wo soll ich bleiben? Nur bei euch …«
    »Das sieht nun der Wahrheit wenigstens ähnlich«, ließ sich der Richter nachdenklich vernehmen. »Also kein Rachedurst, sondern der natürliche Wunsch, die eigene Haut zu retten … Das hättest du gleich sagen sollen.«
    »Nur eine Bedingung«, fügte der Karawanenführer in einem Ton hinzu, der keinen Widerspruch duldete. Er wirkte immer noch äußerst unzufrieden. »Diesen Scharlach … Na, du weißt schon, wen ich meine … kurzum, du kriegst ihn nicht. Tot oder lebendig, aber wir müssen ihn zum Herrscher bringen. Klar?«
    »Ihn brauche ich auch gar nicht«, knurrte Scharlach. »Sie will ich haben …«
    »Also abgemacht«, entschied Chaïlsa. »Wenn du ihn fasst, übergibst du ihn uns. Und wenn wir sie fassen, übergeben wir sie dir.« Seine Miene verfinsterte sich. »Und noch etwas. Bei mir herrscht eine strenge Zucht. Du schließt dich der Karawane an – und fertig. Nichts von euren Eigenmächtigkeiten. Was ich befehle, wird ausgeführt. Und nichts anderes.«
    Während er diese kurze Rede hielt, zog der Karawanenführer drohend die Stirn kraus und musterte beide Gesprächspartner, damit klar wäre, dass das Gesagte für den einen wie den anderen galt. Als Widerspruch ausblieb, fuhr er fort: »Und wo, meinst du, werden sie dich suchen?«
    Scharlach zuckte mit den Schultern. »Entweder in Ar-Ajafa oder hier … aber hier erreichen sie nichts. Im Trunkenen Schatten darf man nicht kämpfen …«
    »Ar-Ajafa …« Der Karawanenführer stellte sich die Karte vor. »Dann wollen wir keine Zeit verlieren. Wir laufen heute Abend aus. Wir werden es wohl so machen: Du, Ehrenwertester, wirst uns mit deiner Galeere als Köder dienen … Oido!« Chaïlsa wandte sich um und hob die Stimme. »Räum den Tisch ab, und bring die Karte …«

27
    Scharlach! Scharlach!
    A ls die seltsame Karawane, die aus drei Kriegsschiffen und einer Räubergaleere bestand, in den engen, verwinkelten Hafen von Ar-Ajafa einlief, verstummte die Oase furchtsam – man rechnete schon mit dem Schlimmsten. Dergleichen hatte man hier noch nicht gesehen. Gerechterweise muss gesagt werden, dass die Militärkarawanen Harwas, die sich in dem Schatten regelmäßig verproviantierten, in den Augen der Bewohner weitaus größere Verluste mit sich brachten als die Tributzahlungen an Scharlach, der schon seit etlichen Jahren Ar-Ajafa als seine Domäne betrachtete. Doch es war noch nie vorgekommen, dass Kriegs- und Räuberschiffe derart Rad an Rad in den Hafen einliefen.
    Der Karawanenführer Chaïlsa pflegte sich zur Bevölkerung des Palmenweges wie zu den Harwa feindlich gesinnten Kimirern zu verhalten, was seinen Ausdruck fand, kaum dass die Karawane im Hafen war. Im Gespräch mit den örtlichen Behörden nannte er unter Zeugen mit militärischer

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