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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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mit dem Horn in den Wind zu drehen. Schon beim zweiten Windstoß wurde der Samum vom Fleck geschoben und wie ein Span fortgeweht, Heck voran. Die Versuche, Anker zu werfen, scheiterten. Beide Taue rissen erstaunlich leicht. Mit dem gelenkten Vorderrad bremsend, bebte das Schiff und rollte über die Sandwogen, bald sich festklammernd, bald in einem Satz gut hundert Schritte zurückgeworfen.
    Es war eine schreckliche Vorstellung, was jetzt auf dem Schlachtfeld geschah, wo der brüllende, sandgeschwängerte Wind ganze Karawanen gegeneinanderwarf, die Fußkämpfer blendete und von den Beinen riss, sie ergriff und zu Tode schleuderte.
    Alle Luken waren verschlossen, alle Ritzen verstopft, doch der Sand drang überall ein, verstreute sich über die Treppen, glitt auf dem Fußboden hin und her, hing in der Luft, rann in die Kajüten. Jenseits der Fenster brodelte eine braune, heulende Masse.
    Es war unmöglich, sich der Antriebstrommel zu nähern – wer zwischen die Bretter kam, wurde zermalmt.
    Wie lange das dauerte, lässt sich nicht sagen. Es war nicht einmal möglich, den Augenblick festzustellen, da der Tag der Nacht wich. Ar-Scharlachi versuchte mehrmals, mit Tiangi zu sprechen, doch seine Metallschildkröte – wie übrigens auch die Kahirabs – gab nur sprödes Knattern und Schlangenrascheln von sich. Verzweifelt gab er auf, übertrug das Kommando Aliyat und warf sich auf das niedrige Bett in seiner Kajüte. Mochte werden, was wollte … Er lag da und hörte erschaudernd zu, wie der Wind toste, der Sand knirschte, das Holz knackte – er hörte zu und wunderte sich nur, dass Achsen und Masten noch heil waren, dass das Schiff noch nicht auf die Seite geworfen worden war, dass sie noch kein Rad verloren hatten …
    Anscheinend gelang es ihm sogar einzuschlafen, und er erwachte mit einem Ruck, als er fühlte, dass das Rütteln aufgehört hatte. Es war schwarz wie in einer Düne. Er ertastete die Tür, öffnete sie und rief nach Feuer. Mit einer tönernen Lampe in der Hand stieg er ins Deckhaus. Dort befand sich nur Aliyat; sie saß mit gekreuzten Beinen vor einer ebensolchen Lampe mit wogender rosa Flammenzunge. Sie hob den Kopf, schaute ihn an. »Wir sind davongekommen«, teilte sie leise und gleichgültig mit. »Seltsam …«
    »Warum bist du allein?«, fragte er und schloss die Lukenklappe. »Wo sind die Rudergänger?«
    »Ich habe sie weggeschickt, sie sollen sich ausruhen. Auch vorher konnten sie hier nichts ausrichten … Und ich auch nicht.«
    »Und draußen?«
    »Anscheinend Nacht.«
    Ar-Scharlachi öffnete die Tür, die auf Deck führte, und trat in undurchdringliche Finsternis. Sofort zeigte sich, dass er nicht einmal durch den Schleier hindurch einen Atemzug tun konnte. Der Staub stand wie eine Wand. Ar-Scharlachi wich langsam zurück, schloss die Tür wieder und rieb sich die Augen, in die sofort Sand gekommen war.
    »Bis zum Morgen setzt er sich vielleicht«, brachte Aliyat immer noch gleichgültig hervor.
    »Wohin mag es uns wohl verschlagen haben?«, murmelte er, während er sich an die andere Seite des Steuerrads setzte.
    Aliyat antwortete nicht.
    »Ja …«, sagte er etwas später und seufzte, doch es klang wie Stöhnen. »Ich wusste doch, dass nichts Gutes dabei herauskommt. Nur die Leute haben wir für nichts und wieder nichts sterben lassen …«
    »Winselst du wieder?«, fragte sie feindselig. »Wir leben, und gut! Was willst du mehr?«
    »Ich will, dass meinetwegen niemand umgebracht wird«, antwortete Ar-Scharlachi gedrückt.
    »Ist doch egal!«, warf Aliyat angewidert hin. »Wenn es Menschen gibt, finden sie immer jemanden, für den sie sich umbringen.« Doch offensichtlich machte ihr, was geschehen war, selbst schwer zu schaffen.
    »Na schön«, versuchte Ar-Scharlachi sie zu trösten. »Dafür droht uns jetzt Gortkas Nichte nicht mehr …«
    Der Scherz kam nicht an, also seufzte er nochmals und widmete sich den Metallschildkröten. Er nahm sie hervor, verglich sie. Auf den ersten Blick waren die Geräte völlig gleich. Und dennoch gab es Unterschiede. Die rechte Seite derjenigen, die ihm Tiangi geschenkt hatte, war geschlossen, aus geriffeltem Metall. In der Schildkröte Kahirabs aber befand sich an dieser Stelle ein Längsschlitz, aus dem noch ein stählerner Huckel ähnlich einem Niet hervorragte. Ar-Scharlachi schaltete das Gerät ein (an das seltsame Wort »einschalten« hatte er sich schon gewöhnt), hörte aber nichts außer Rauschen und Prasseln.
    »Wahrscheinlich funktioniert es bei

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