Unter dem Räubermond

müssen, ging ihm plötzlich ein erstaunlicher und recht unangenehmer Gedanke durch den Kopf. Das und vieles andere … Gortkas Nichte heiraten, beispielsweise, eine Eidechse soll ihr in die Bluse kriechen … Aber das ist natürlich halb so schlimm … Und wenn nicht?
    Aus dem Zelt kam Ar-Scharlachi in miserabler Stimmung. Zusammen mit den anderen ging er in ein zweites, weitaus größeres Zelt, das eigens für den Kriegsrat errichtet worden war; denn keine Kajüte konnte solch eine Menschenmenge fassen.
    Der Rat selbst erinnerte stark an die Absprachen der Räuber in der Schwarzen Zypresse , nur dass mehr Leute und weniger Getränke da waren.
    Es sprach Kahirab. Er machte es meisterhaft: Immer wieder stockte er, warf dem majestätisch unbeweglichen Ar-Scharlachi unsichere Blicke zu, und ab und zu wischte er sich sogar imaginären Schweiß ab. Kurzum, er spielte eine absolute Null und verhielt sich überhaupt sehr klug. Seine Neider mit ihm versöhnen konnte das nicht, wohl aber sie beruhigen. In der Tat, lohnte es sich, gegen einen derart jämmerlichen Favoriten des Herrschers zu intrigieren? Der würde von selbst stolpern …
    Ar-Scharlachi unterstützte Kahirab, so gut er konnte: runzelte die Stirn, berichtigte, fragte nach. Unwillkürlich kam der Eindruck auf, der Schlachtplan stamme von ihm selbst.
    Dabei war der Plan wirklich einfach: den Leuten Ruhe gönnen und sich am Morgen mit frischen Kräften auf den von der Nachtfahrt ermüdeten Gegner stürzen. Der Wind wehte hier meistens aus Südost, sie würden also aus der Sonne angreifen und solch einen Staub vor sich hertreiben, dass Harwas Schilde sich einfach als nutzlos erweisen würden. Hauptmethode – Rammstoß. Rammstoß und Nahkampf. Aus demselben Grunde: Die Schilde taugten nur aus der Entfernung und in Formation.
    Wer am Morgen wo stehen und wohin zustoßen würde, verkündete Ar-Scharlachi selbst mit krächzender, keinen Widerspruch duldender Stimme. So hatte er es noch am Tage mit Kahirab abgesprochen.

33
    Sieger wird es nicht geben
    D er Wind enttäuschte sie nicht. Wie es das Sprichwort sagt, erwachte er mit der Sonne, begann in der Takelage zu heulen, ließ die Wimpel knattern – just der Wind, auf den sie gehofft hatten, der böse Räuberwind aus Südost. Bald zeigte sich, dass auch der Ort ausnehmend günstig war. Die Männer auf den zahllosen Masten meldeten fast gleichzeitig den großen Staub, obwohl diese triumphierenden Rufe niemand brauchte. Die von Nordwesten heranziehende Wolke war einfach nicht zu übersehen. Am zerfaserten, sich windenden Horizont blitzte plötzlich das Kupfer der von hier aus winzig erscheinenden Rammsporne auf. Die Nacktfressen fuhren langsam, dem Wind entgegen, bereit, augenblicklich die geschlossenen, funkelnden Phalangen ausschwärmen zu lassen, und verschwendeten keinen Gedanken daran, der Feind könnte auf die edle Kunst des Spiegelkampfes verzichten und einen direkten Rammstoß mit Handgemenge vorziehen.
    Gebellte Kommandos ertönten, und die erste Linie der aufständischen Flotte straffte die Segel und eilte in immer schnellerer Fahrt auf dem bedrohlich knirschenden Sand der flachen, lockeren Dünen Ruhm und Tod entgegen. Alles voraus hüllte sich in gelbbraunen Nebel. Die von Scharlachs Schiffen abgeschossenen Feuerkugeln, vom Wind getrieben, verschwanden spurlos in diesen trüben Schwaden.
    Die zweite Linie verlangsamte befehlsgemäß die Fahrt, teilte sich in einzelne Karawanen auf und machte abwartend halt. Es bestand noch die Gefahr eines Flankenangriffs, außerdem konnten einzelne Schiffe Harwas die Front durchbrechen, und mit ihnen sollten sich nach Kahirabs Plan die Reserven befassen.
    An diesem schrecklichen, ruhmreichen Morgen machte sich Ar-Scharlachi, der an Deck des reglosen Samum stand, endgültig klar, worin das wahre Genie eines Heerführers besteht. Genie, nicht Talent. Ein Genie pfeift auf jedwede Regeln und Konventionen. Eigentlich war es üblich, vor der Schlacht anzuhalten und dem Gegner Gelegenheit zu geben, die Marschkolonne zur Schlachtordnung zu formieren. Kahirab hielt diese Höflichkeit für überflüssig und brachte Harwa sofort in eine nahezu ausweglose Lage. Und Ar-Scharlachi selbst? Erklärten sich nicht alle seine Heldentaten damit, dass er die Gesetze des Krieges vollständig vergessen oder, genauer gesagt, gar nicht gekannt hatte …? Die Kaperung der ersten Galeere, der Überfall auf Sibra … Aber was wollte man auch von einem Räuber verlangen! Übrigens sollte sein