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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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zu, funkelten böse und ähnelten eher Fischen als Vögeln. Oder nicht einmal Fischen. Riesige flache Lanzenspitzen flogen über die Sande. Wieder stürzte ein ohrenbetäubendes, pfeifendes Dröhnen auf die Wüste herab. In zwei Schwärmen schossen die schrecklichen Vögel über den bis in die Spanten erzitternden Samum hinweg, wurden zusehends kleiner und lösten sich irgendwo im Süden spurlos auf.
    Die Ohren waren betäubt. Es gab keine Empfindungen als unüberwindliche Furcht. Wahrscheinlich dauerte es ziemlich lange, bis Ar-Scharlachi zu Bewusstsein kam, dass er dalag, mit dem ganzen Körper ans Deck gepresst, und die Hände schützend über den Kopf hielt. Er zwang sich, aufzustehen und sich umzuschauen. Das Deck schien mit weißen, aufs Geratewohl hingeworfenen Säcken übersät zu sein. Dann regten sich die Säcke, aus den weißen Falten schauten vorsichtig menschliche Gesichter hervor, von Angst gezeichnet. In den Augen glomm eine schwache Hoffnung: Lebe ich etwa?
    Ar-Scharlachi gab sich einen Ruck und stand als Erster auf. Die Knie waren ihm weich, von einem widerwärtigen kleinen Zittern erfasst.
    »Beim ersten Mal war es nicht so schlimm«, murmelte Iliysa besorgt, während er sich von den Decksplanken löste. »Da sind sie seitlich vorbeigeflogen …«
    »Was war das?«, stöhnte Aliyat, den Blick dorthin gerichtet, wo eben noch die stählernen Vögel verschwunden waren. Dann wandte sie sich abrupt zu den riesigen, rußenden Flammenschwaden, die sich im Norden blähten.
    »Das …?« Ar-Scharlachi musste eine Pause machen. Die Stimme versagte ihm, sodass er statt des ersten Wortes nur ein hilfloses, schwaches Keuchen hervorbrachte. »Das ist der Krieg … Hinter den Bergen, und hier auch … Und das da sind die, mit denen sie kämpfen …«
    Plötzlich weiteten sich seine Pupillen, und Ar-Scharlachi blickte zu den in hundert Schritt Entfernung glänzenden Rohren, dann auf die Flammen.
    »An die Antriebstrommel! Schnell! Wir fahren weg! Möglichst weit weg von den Rohren!«
    Die Männer verstanden ihn und stürzten an ihre Plätze. Ar-Scharlachi stürmte in seine Kajüte, riss unter dem Kissen den Gesprächsapparat hervor, schaltete ihn ein und schob lange hoffnungsvoll den beweglichen Metallniet in dem seitlichen Schlitz hin und her.
    Rauschen, Rauschen, Rauschen … Schließlich legte er die Schildkröte beiseite und setzte sich auf die Bettkante, noch immer nicht bereit zu glauben, dass es die nickenden Hämmer nicht mehr gab.

36
    Über die Trümmer der eisernen Vögel
    D ie Flamme am Horizont loderte den ganzen Tag. Sie brodelte langsam, blähte sich zu schweren, rußfleckigen Blasen auf; mitunter stieg träge eine leuchtend rote Zunge empor, löste sich von der allgemeinen Masse des Feuers und lebte eine Zeit lang ein Eigenleben, schwebte, wogte und krümmte sich in dem schwarzen Rauch. Der halbe Himmel war von Ruß überzogen. Mit ihrer unheilvollen Gelassenheit erinnerte die Flamme an den Staubsturm, der vor zwei Tagen auf den Samum zugekrochen war. Der Brand Sibras erschien im Vergleich dazu wie ein kleines Lagerfeuer.
    Sonderbar, aber entgegen den Befürchtungen Ar-Scharlachis explodierten die glänzenden Rohre weder, noch fingen sie Feuer. Wohlgeformt und silberglänzend liefen sie weiterhin von Norden nach Süden, als habe die Feuersbrunst hinter dem Heck mit ihnen nicht das Geringste zu tun.
    Die Mannschaft des Samum wartete auf eine Entscheidung. Der Anführer hatte sich mit Aliyat in seiner Kajüte eingeschlossen und heckte wahrscheinlich wieder etwas aus, das normale Leute um den Verstand brachte. Niedergedrückt trotteten sie auf Deck umher, bildeten kleine Gruppen, redeten halblaut, wobei sie bald nach Süden, bald nach Norden blickten.
    »Also ist auch gegen die nickenden Hämmer ein Kraut gewachsen«, sagte mit bebender Stimme Ard-Gew und runzelte die dichten, zusammengewachsenen Brauen. »Da ist vielleicht was los! Und einen Krach machen sie, einen Krach!«
    »Blau, schleimig«, äffte Gorcha abfällig jemanden nach. »Und davor soll man sich fürchten …! Die haben doch aus dem Meer heraus geballert, gar keine Frage …«
    »Also ich denke, Leute, dass Scharlach selbst diese Vögelchen gerufen hat …«
    Der Sprecher wurde mit ängstlichem Unglauben beäugt. Freilich, Scharlach war verzaubert, noch dazu selber ein Zauberer, aber doch nicht in solchem Grade!
    »Ich habe selbst gehört, wie er auf die nickenden Hämmer geschimpft hat – dass sie ihn nicht zum Meer lassen wollen …

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