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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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Na, und da …«
    »Wo willst du denn so was gehört haben?«
    »Durch die Trennwand hindurch …«
    »Hast gelauscht, was?«
    »Hm … ja …« Der Sprecher wurde verlegen.
    »Pass auf«, drohte man ihm. »Wenn er dich erwischt, schnippt er so mit den Fingern – und dir fährt das eigene Messer durch die Kehle!«
    »Aber ich habe etwas anderes gehört … Da war gerade alles losgegangen, da sagt Aliyat: ›Wieso hast du mir erzählt, dass sie hölzerne Vögel haben? Du siehst doch, was das für welche sind …‹«
    »Na … und er?«
    »Und er sagt zu ihr: ›Was willst du denn? Seit damals sind zweihundert Jahre vergangen …‹«
    Alle schwiegen beunruhigt und irritiert.
    »Ja, wie alt ist er denn?«
    »Ja, da hat er vielleicht nicht sich selbst gemeint …«
    »Ach, Leute, er wird uns zum Meer schleppen, ich spüre es …«
    Das Gespür hatte nicht getäuscht. Bald erschien Ar-Scharlachi an Deck und befahl, Segel zu setzen. Man gehorchte missmutig. Unzufriedenheit äußerte übrigens niemand, vielleicht, weil hinter dem Heck noch immer gemächlich die riesige, schmutzige Flamme loderte und man unwillkürlich möglichst weit weg von ihr sein wollte. Gegen Abend wurde sie noch schrecklicher; die ganze Welt hinter dem Nordhorizont schien vom Feuer erfasst zu sein – der Palmenweg, Harwa, Kimir …
    Eine seltsame Nacht war das: Es fröstelte die Beobachter, und das nicht nur wegen der Kälte. Im Norden erhob sich roter Feuerschein, und der böse Räubermond schien gnadenlos. Kalt leuchteten rechts die endlosen Rohre, und einem riesigen Skorpion gleich kroch der Samum in vollkommener Windstille über die hellen Sande.
    Am Morgen, als nur noch ein durchscheinender Rauchschleier hinter dem Heck lag, versuchte Ar-Scharlachi, Verbindung zu Ulqar aufzunehmen. Der Herrscher war verschreckt. Man hatte ihm schon gemeldet, dass die Sande der nickenden Hämmer brannten.
    »Warum hast du das getan?«, fragte er mit belegter Stimme, und Ar-Scharlachi verschlug es für einen Moment die Sprache. Ulqar überschätzte offensichtlich seine bescheidenen Möglichkeiten. Doch Ar-Scharlachi fand es zu schwierig, ausführlich von den eisernen Vögeln und ihren vermutlichen Herren zu erzählen, und sei es aus diesem Grund, sei es aus Müdigkeit – er antwortete dem Herrscher jedenfalls einfach: »Sie wollten mich nicht zum Meer lassen …«
    Nach diesen Worten verlor Ulqar den Verstand. Er schrie, Ar-Scharlachi habe ihn mit Kimir alleingelassen, er drohte schon mit schrecklichen Strafen, und so musste ihm Ar-Scharlachi doch erklären, was wirklich geschehen war.
    Anscheinend war Ulqar erschüttert. Das Gerät schwieg fast eine Minute lang, und Ar-Scharlachi machte sich sogar schon Sorgen, es könnte defekt sein. Er war im Begriff, den Herrscher zu rufen, doch da fand Ulqar endlich die Sprache wieder. »Was meinst du, ist dort wenigstens irgendwer am Leben geblieben?«, fragte er hoffnungsvoll.
    »Wohl kaum …«, antwortete Ar-Scharlachi, und die Erinnerung ließ ihn erschaudern. »Ich glaube, es ist alles verbrannt …«
    »Ach so?« Ulqar dachte über irgendetwas angestrengt nach. »Ach, egal … wenn sie … oder diese Feinde, von denen du redest … unwichtig … Kurzum, wenn sie dich trotzdem abfangen, dann lass mein Edikt verschwinden. Und wenn kein anderer Ausweg bleibt – vernichte es. Sollen sie denken, dass du auf eigene Rechnung beschlossen hast, zum Meer zu fahren.«
    Ar-Scharlachi dachte, dass es ja im Grunde auch so war, doch er sagte es nicht laut.
    »Seltsam …«, sagte er, nachdem er das Gerät ausgeschaltet hatte, zu Aliyat, die bei dem Gespräch mit dem Herrscher schweigend zugegen gewesen war. »Sosehr die nickenden Hämmer Ulqar gestört haben, hat er ohne sie also auch Schwierigkeiten.«
    »Und wir?«
    »Wir, fürchte ich, auch.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Aliyat ärgerlich. »Du hast sie beschimpft, dich mit ihnen gestritten … und jetzt? Tun sie dir leid?«
    Er überlegte, brummte bekümmert. »Ja, sie tun mir wohl auch leid«, sagte er und wunderte sich über sich selbst. »Aber weißt du, die Sache ist so … Ja! Natürlich waren sie Schakale! Haben uns die Wüste weggenommen, den Weg zum Meer versperrt …«
    »Den haben wir doch auch vorher nicht gebraucht!«, unterbrach in Aliyat.
    »Unwichtig! Überhaupt haben sie mit uns gemacht, was sie wollten … Und trotzdem herrschte auf der Welt eine Art Gleichgewicht. Jetzt aber …« Ar-Scharlachi verstummte und schüttelte lange den Kopf. »Ja …«, sagte

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