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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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schneller …«
    »Was gießt du so viel ein? Eine halbe Schale, um das Hirn klar zu kriegen, mehr nicht! Gleich werden die Leute kommen …«
    Ar-Scharlachi hielt mit der Schale auf halbem Weg zum Munde inne und schaute sie verständnislos an. »Was wollen die?«
    »Wir werden überlegen, wohin wir am besten fahren sollen. Und merk dir, du hast das letzte Wort.«
    Ar-Scharlachi krächzte, nahm einen Schluck und zog verwundert eine Braue hoch. »Und was denkst du?«
    Aliyat antwortete nicht gleich – sie hatte sich wohl noch nicht vollends entschieden.
    »Man könnte natürlich zum Trunkenen Schatten fahren …«, begann sie nachdenklich.
    »Klingt vielversprechend«, bemerkte Ar-Scharlachi. »Und wo ist das? Noch nie gehört …«
    »Na, der ehemalige Schatten von Ar-Kahiraba … Sie nennen ihn auch Niemandsschatten. Genau auf der Grenze von Harwa und Kimir. Dort machen sie nur Wein, befassen sich mit nichts anderem. Deshalb werden sie weder von der einen noch von der anderen Seite behelligt. Es heißt, man hat sie sogar während des Krieges in Ruhe gelassen. Woanders ist ja kein Wein herzukriegen …«
    »Aha … Und wohin sonst noch?«
    »Nach Turkla. Davon hast du doch wenigstens gehört?«
    Von Turkla hatte Ar-Scharlachi gehört. Dieser winzige, von schroffen Restbergen umgebene Staat stand unter dem Protektorat Harwas – aber nur auf dem Pergament. In Wahrheit war Turkla von niemandem abhängig, höchstens von den Räu berbanden, die in dieser alles andere als wohlhabenden, dafür aber schwer zugänglichen Oase unfehlbar Zuflucht fanden. Sämtliche Schmuggelware, das ganze auf beiden Seiten der Grenze zusammengeraubte Gut ging größtenteils durch Turkla.
    »Ja, das wäre wohl sicherer …«
    »Wäre es«, stimmte Aliyat zu. »Aber wir sollten nicht gleich dorthin fahren. Mit leeren Händen hat man in Turkla nichts verloren.«
    Ar-Scharlachi verschluckte sich am Wein und begann zu husten. »Das heißt?«
    Aliyat schaute ihn an, als erwarte sie, er werde schließlich selbst erkennen, wie dumm seine Frage war. Sie wartete vergebens.
    »Das also!« Ar-Scharlachi stellte nervös die Schale ab, wobei er beinahe den Rest Wein verschüttete. »Merk es dir ein für alle Mal! Auf Raub werde ich euch nicht führen! Wage nicht, auch nur daran zu denken!«
    Aliyat wunderte sich aufrichtig. »Da hast du nun in Harwa studiert«, sagte sie vorwurfsvoll, »aber die Gesetze kennst du nicht. Jetzt kannst du ruhig den ganzen Palmenweg ausrauben …! Wenn sie dich erwischen, wird niemand das auch nur erwähnen. Du bist ein Staatsverbrecher. Du hast eine Meuterei angestiftet. Du hast an der Grenze zwei Karawanen aufeinandergehetzt …«
    Von plötzlicher Furcht ergriffen, straffte Ar-Scharlachi unwillkürlich den Rücken.
    »Wer ›Alq‹ gesagt hat, muss auch ›Bin‹ sagen«, setzte Aliyat gewichtig hinzu und verdarb damit die ganze Wirkung. Ar-Scharlachi warf ihr einen wilden Blick zu und langte wieder nach der Schale. »Sieh an«, murmelte er mit schiefem Lächeln. »Du kennst die Buchstaben …«
    Aliyat wollte antworten, merkte aber plötzlich auf und lauschte. »Trink aus, und weg damit!«, zischte sie. »Sie kommen … Verdeck die Fresse!«

9
    Die erste Galeere
    E ine Schale Wein hatte gerade ausgereicht, um den Kater zu überwinden und die Stimmung etwas aufzuhellen. Nicht dass sich Ar-Scharlachi nicht mehr bewusst gewesen wäre, wie ernst die Dinge standen; ihn inspirierte jetzt einfach die Idiotie der Situation. Er konnte sich nicht verkneifen, sich daran zu ergötzen.
    Er begann damit, dass er sich auf den niedrigen Hocker setzte und, unwillkürlich den ehrwürdigen Ar-Maura nachahmend, ein Auge zusammenkniff. Aliyat war davon unangenehm überrascht, doch die anderen nahmen es einfach hin. Die Flamme der Lampe flackerte, Lichtflecken huschten über die Wände in der Kabine des Karawanenführers. Aus der Ecke hörte mit finsterer Miene der Alabaster-Herrscher zu.
    »Du sagst also, Riybra …« Ar-Scharlachi legte in seine Stimme die träge Farblosigkeit eines Würdenträgers, verstummte und schaute den krummrückigen Meuterer erwartungsvoll an.
    Der schien, nach der Bewegung des Schleiers zu urteilen, krampfhaft zu schlucken. »Ich sage, es gibt welche, die zweifeln … Die anderen sind ja härter, aber diese … Im Übereifer haben sie sich uns angeschlossen, und jetzt tut es ihnen leid …«
    Ar-Scharlachi hörte zu, überlegte und nickte. »Solche können wir nicht gebrauchen«, warf er gleichgültig hin. »Solche

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