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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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nur acht? Er hat doch gesagt, neun … Wo ist der neunte?«
    Aliyat ließ den Blick durch die Kajüte schweifen und zuckte mit den Schultern. Ar-Scharlachi schaute sich wesentlich länger um. Dann erstarrte er, erleuchtet.
    »Riybra!«, brachte er verwundert und drohend hervor. »Das kann nur er gewesen sein! Sonst niemand …«
    »Auf Kaperfahrt«, sagte Aliyat leise, »wird man wegen Diebstahls in der Wüste ausgesetzt. Ohne Wasser.«
    Verblüfft saß Ar-Scharlachi ein paar Augenblicke lang reglos da. Er war einfach außerstande, an solch eine Heimtücke zu glauben, noch dazu von dem Mann, den er zu seinem Gehilfen erhöht hatte.
    »Erst recht, wenn der Treiber bestohlen worden ist«, fügte Aliyat hinzu.
    Ar-Scharlachi sprang auf und öffnete die Tür. »Riybra zu mir!«, rief er wütend. »Wer hat Wache? Rasch!«
    Er kam zurück, setzte sich. In seinen Augen erstarrte verständnislose Kränkung.
    »Das reicht!«, stieß er schließlich hervor. »Lange habe ich ihm verziehen … Ach, der Waran! Wein wollte er … Wein vom Treiber …«
    »Ein Schakal«, warf Aliyat gleichmütig hin. »Er hat mir von Anfang an nicht gefallen.«
    Jenseits der Trennwand ertönten hastige Schritte, und die Tür wurde ohne Klopfen geöffnet. Auf der Schwelle stand der untersetzte Aitscha, sichtlich verwirrt und erschrocken.
    »Was ist?«, fragte Ar-Scharlachi. »Ich habe doch wohl nach Riybra gerufen? Wo ist er?«
    »Bei sich …«, antwortete Aitscha irgendwie seltsam, stockend. »Geh selber und sieh …«
    Ar-Scharlachi und Aliyat wechselten beunruhigte Blicke und folgten Aitscha.
    Der groß gewachsene, krummrückige Riybra lag auf dem Boden seiner Kajüte, unnatürlich verkrümmt. Vor dem Tode hatte er offensichtlich in einem Anfall von Atemnot den Schleier abgeworfen, und jetzt lag er da mit nacktem bläulich weißem Gesicht, den spitzen Adamsapfel hochgereckt. Eine Schale und ein stoffumhüllter Krug lagen daneben. Der unter dem Fuß verrutschte kleine Teppich war von Wein durchtränkt, dessen Farbe an Blut erinnerte.
    Ein paar Sekunden lang standen alle reglos da. Dann bückte sich Ar-Scharlachi und verhüllte mit zitternder Hand das Gesicht des Toten mit dem Schleier. Aliyat, sehr blass – sei es vor Angst, sei es vor rasendem Zorn –, war in der Türöffnung erstarrt.
    »Bist du immer noch von der Freundlichkeit des ehrwürdigen Ar-Maura gerührt?«, fragte sie mit belegter Stimme.
    Ar-Scharlachi straffte sich und warf ihr einen wilden Blick zu. »Gleich kehre ich um und brenne diese Oase nieder!«, sagte er heiser.
    »Nur keine Dummheiten!«, warf Aliyat ein. »Jetzt ist es gefährlich, dorthin zurückzukehren … Also bedank dich bei diesem Dummkopf. Er hat dir sozusagen das Leben gerettet …«
    »Was ist nun mit dem Proviant?«, fragte Aitscha besorgt. »Womöglich ist der auch …«
    »Nicht doch«, sagte Aliyat nach kurzem Nachdenken. »Den Proviant haben sie direkt aus dem Lager eingeladen. Wann hätten sie den vergiften sollen!«
    »Der Wein …«, krächzte plötzlich Ar-Scharlachi und riss sich den Kittel an den Brust auf, als verspüre er ebenfalls Atemnot. »Über Bord damit!«
    »Ja, wozu denn über Bord?«, entgegnete Aliyat ruhig. »Es ist ein teurer Wein, noch dazu vergiftet … Es wird sich eine Verwendung finden.«

12
    Den Tod verdient
    W eiß das Kamel warum, aber der ehrwürdige Tamsaa hatte ein wenig Angst vor seinem Sekretär. Sogar sich selbst gestand er das ungern ein. Die Ergebenheit des jungen Mannes schien eigentlich außer Zweifel zu stehen: Man brauchte nur daran zu denken, dass der junge Irwa den Posten auf Bitte von Rinad bekommen hatte, der Hauptfrau des Herrschers, einer Kusine des Würdenträgers.
    Zur allgemeinen Zufriedenheit erwies sich der empfohlene Schützling (ein entfernter Verwandter von Rinads Amme) als geborener Beamter. Abgesehen von seltenen Fehlern bei Kleinigkeiten konnte man sagen, dass der Protegé der freundlichen Kusine im Laufe von anderthalb Jahren den ehrwürdigen Tamsaa noch nie in irgendeiner ernsten Angelegenheit enttäuscht hatte. Nein, in dieser Hinsicht war dem jungen Mann nichts vorzuwerfen. Das Dumme war nur, dass ihm in gar keiner Hinsicht etwas vorzuwerfen war. Doch fehlerlose Menschen gibt es bekanntlich nicht. Und so ist es nur natürlich, dass sich von Zeit zu Zeit in der Seele des Ehrwürdigen ein, sagen wir … Verdacht breitmachte – ob sein eifriger, kluger Irwa nicht vielleicht gleichzeitig zwei Kamele trieb?
    Dass er in die Absichten seines Herrn

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