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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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sie auch zu Ende führen. Also, zwei Monde. Zwei Monde, Ehrwürdiger! Übrigens, das betrifft auch deinen neuen Freund Alras, du kannst es ihm so ausrichten. Obwohl … lass es sein, ich mache ihm selbst die Freude. Und jetzt setz dich hin, und schreib.«
    Mit purpurroter Seide raschelnd stürzte der auferstandene Tamsaa zum Tisch, setzte sich auf den Platz des Sekretärs und schaute Ulqar an. Er stutzte, heftete ein sauberes, liniiertes Pergament auf die Tischplatte, schraubte eins der Tintenfässer auf, nahm aus der kleinen kimirischen Glasvase eine angeschnittene Feder und richtete den Blick wieder auf den Herrscher.
    »Ulqar, Herrscher und Gebieter des Einigen Harwa, der Unerforschliche und Unsterbliche«, begann dieser, auf der Unterlippe kauend, »befiehlt seinem Diener …«
    »… befiehlt«, flüsterte der ehrwürdige Tamsaa, über den Tisch gebeugt und mit der Feder kratzend, »seinem Diener …«
    An der Leibwache vorbei, die einer Reihe von Statuen aus schwarzem Granit glich, ging der erschütterte Würdenträger bis zum Ende des Ganges, bog nach rechts ab und erlaubte sich erst dort zu taumeln und ein leises Stöhnen auszustoßen.
    »Der War-ran!«, stieß er in stiller Wut hervor. »Der dämlichste von allen Waranen!«
    Selbst er in seinem Hass auf den ehrwürdigen Chaïlsa hatte das ganze Ausmaß der Dummheit unterschätzt, das der rotgesichtige Karawanenführer aufbrachte. Fast gleich am ersten Tag der Fahrt eine Meuterei auf dem Flaggschiff zuzulassen! Wehe dem Land, das solche Heerführer hat …
    In seinen Gemächern angelangt, warf Tamsaa das nach dem Diktat des Herrschers geschriebene Pergament auf den Tisch und saß eine Zeit lang schlaff auf dem Stuhl. Dann gab er sich einen Ruck und rief Irwa.
    »Ich brauche Scharlach«, sagte er ohne Vorrede. »Schaffe mir Scharlach her. Und wenn du ihn aus dem Meer ziehst, aber schaffe ihn her.«
    »Wer ist das?«
    Der ehrwürdige Tamsaa fixierte das gleichmütige, braune Gesicht des jungen Mannes. In die Angelegenheiten, die die Ergreifung des berühmten Räubers und die Vorbereitung der Karawane für den ehrwürdigen Chaïlsa betrafen, hatte er den Sekretär aus gewissen Erwägungen nicht eingeweiht, sodass Irwas Frage ganz natürlich klang. Dem Ehrwürdigen waren wohl nur die Nerven durchgegangen – abermals war es ihm so vorgekommen, als wisse der schweigsame, breitwangige junge Mann weitaus mehr, als ihm zustand.
    Widerwillig erklärte er kurz, worum es ging, wobei er natürlich weder das Meer noch das geteerte Fass auf dem Flaggschiff der Karawane erwähnte. Irwa notierte die Angaben auf einem mit Wachs überzogenen Täfelchen und verneigte sich in Erwartung weiterer Anordnungen.
    Lange schwieg der ehrwürdige Tamsaa mit finsterer Miene. Schließlich entschloss er sich.
    »Schicke einen Boten zu Alras … Und zwar so schnell wie möglich. Ich muss mich mit ihm treffen. Unter vier Augen.«
    Jetzt war der Sekretär wahrlich verblüfft. Die Verwandten von Rinad, der Hauptfrau Ulqars, die sich um Tamsaa geschart hatten, und die Verwandten Ayjuts, der zweiten Frau, an deren Spitze Alras stand, unterhielten keine Beziehungen zueinander. Natürlich nicht gerechnet die ständigen Intrigen und die weitaus selteneren Giftanschläge. Irwa war im Begriff, den Griffel zu dem Wachstäfelchen zu führen, doch der Würdenträger schüttelte kurz den Kopf, und das Zypressenstäbchen wurde wieder zurückgezogen. So etwas zu notieren war unvernünftig, ja einfach gefährlich …
    Allein geblieben, erlaubte sich der ehrwürdige Tamsaa, gemächlich ein Glas kühlen Weins zu leeren, doch die drückenden Gedanken ließen sich auch so nicht vertreiben. Der Sieg hatte sich in eine Niederlage gewendet. Der Zorn des Herrschers hatte nicht den unfähigen Chaïlsa getroffen, sondern den Würdenträger selbst. Der Gedanke, dass der rotgesichtige Dummkopf von einem Karawanenführer wohl nicht mehr am Leben war, tröstete ihn auch nicht …
    In dieser düsteren Stimmung traf der recht schnell zurückkehrende Irwa seinen Herrn an.
    »Und?«, fragte der Ehrwürdige mürrisch.
    »Alras ist nicht im Palast. Ich habe einen Boten zu ihm nach Hause geschickt. Was Scharlach betrifft …«
    Der ehrwürdige Tamsaa hob verwundert den Kopf. Nein, sein Sekretär war zweifellos einmalig in seiner Art. Hatte es Irwa etwa fertiggebracht, während der Würdenträger Wein trank und sich trüben Gedanken hingab, etwas über Scharlach in Erfahrung zu bringen?
    »Ja?«
    »Heute vor Sonnenaufgang wurde

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