Unter dem Räubermond
Hand gedrückt. »Hier ist eine Liste der Geiseln. Ich muss sie so oder so loswerden. Ich hoffe, der ehrwürdige Ar-Maura wird so freundlich sein, mir ein Lösegeld für sie zu zahlen?«
Der Sekretär rollte mit skeptischer Miene das Pergament auf.
»Dreihundert Ulqar in Gold für den Treiber«, erklärte Ar-Scharlachi. »Für jeden Offizier zweihundert. Die niederen Ränge kommen zu je fünfzig. Und lass dir nicht einfallen zu feilschen. Der Ehrwürdige büßt dadurch nichts ein …«
»Die Staatskasse wird das Lösegeld nicht ersetzen«, entgegnete der Sekretär höflich. »Dem Edikt zufolge gibt es keinen Raub …«
»Na, dann soll er sich von jeder Geisel einen Schuldschein geben lassen«, antwortete Ar-Scharlachi, schon gereizt. »Soll ich ihn etwa lehren, wie so etwas gemacht wird …? Das Lösegeld muss spätestens zu Mittag auf dem Samum sein. Um Mittag werde ich wieder die Uhr aufstellen. Dir ist klar, was das bedeutet?«
Der Sekretär schielte über die Schulter zu der niederbrennenden Baracke und zuckte zusammen.
Man kann sich nur vorstellen, welchen Seufzer der Erleichterung der ehrwürdige Ar-Maura ausstieß, als er vom Sekretär hörte, welche recht bescheidenen Forderungen Ar-Scharlachi gestellt hatte. Vor Angst, jener könnte es sich anders überlegen, versuchte der Ehrwürdige alles prompt und genau zu erledigen. Die von ihren Ketten befreiten Schiffsläufer des Postschiffes waren noch mit dem Einladen des Proviants beschäftigt, als das Lösegeld schon an Bord des Samum gebracht wurde. Auch das Nachzählen der Goldstücke mit dem Profil Ulqars und die Übergabe der Gefangenen nach Liste nahmen nicht allzu viel Zeit in Anspruch.
Die Hälfte der Phalanx wurde auf Verlangen der vorsichtigen Aliyat weiter in die Wüste zurückgezogen – für den Fall, dass der fügsame Richter plötzlich doch einer Abteilung von Wächtern befehlen sollte, im Schutze der Palmen die Räuberkarawane zu umgehen und gegen die Sonne zuzuschlagen, sodass die Kampfschilde der Räuber nichts nützen würden. Wie zu erwarten war, erwies sich die Vorsichtsmaßnahme als überflüssig.
Es ging erst auf Mittag, und die auf drei Schiffe angewachsene Karawane war schon zur Weiterfahrt bereit.
»Der ehrwürdige Ar-Maura«, teilte der Sekretär liebenswürdig mit, nachdem er sich vorsorglich zum Ohr des Räuberhauptmanns herabgebeugt hatte, »bittet, neun Krüge von dem Wein als Geschenk anzunehmen, der dem ehrenwertesten Scharlach letztes Mal gemundet hat …«
Ar-Scharlachi setzte sich gerade und starrte den jungen Mann sprachlos an, dann die beiden Diener mit dem Korb, aus dem enghalsige, stoffumspannte Tonkrüge ragten.
»Dass mich doch das Kamel tritt!«, brachte er verblüfft hervor. »Wie habe ich das vergessen können?«
»Wirklich seltsam«, konnte sich Aliyat, die bei ihnen stand, nicht verkneifen zu bemerken.
»Übermittle Ar-Maura, dass ich von seiner Freundlichkeit gerührt bin.« Sichtlich aufgemuntert, schaute sich Ar-Scharlachi nach dem Gehilfen um. »Riybra! Lass das in meine Kajüte bringen … Oder trag es lieber selbst hin.«
»Erlaubst du mir, ihm noch eine Frage zu stellen?«, wollte Aliyat wissen, während sie den jungen nacktfressigen Sekretär fixierte.
»Frag«, sagte Ar-Scharlachi, misstrauisch geworden.
»Jener Gefangene«, wandte sie sich mit leiser Stimme an den jungen Mann, »na, den sie vor uns aus der Grube gelassen haben … Erinnerst du dich?«
Der Sekretär erbleichte und nickte.
»Was ist aus ihm geworden?«, fuhr Aliyat noch leiser fort. »Hat man ihn ergriffen?«
Dem Sekretär brach der Schweiß aus. »Nein«, flüsterte er. »Der ist wie im Sande versickert … Man hat ihn weder im Hafen gefunden noch sonst wo …«
Gegen Mittag verließ die Räuberflottille zur größten Erleichterung der Einwohner Ar-Mauras Schatten und nahm Kurs auf Turkla.
»Und fertig!«, verkündete Ar-Scharlachi freudig, während er sich seitlich auf das niedrige Bett fläzte und liebevoll die auf dem Fußboden wackelnden umhüllten Tongefäße betrachtete. »Nun sag bloß noch, ich hätte mir keinen ordentlichen Schluck Wein verdient … Oh!«, rief er begeistert aus, als er die feuchte Hülle des am nächsten stehenden Kruges berührte. »Auch noch gekühlt!«
»Vielleicht solltest du bis Turkla warten?«, sagte Aliyat unzufrieden.
»Niemals!«, rief Ar-Scharlachi und griff nach der Schale. »Bis Turkla überlebe ich einfach nicht … He!«, sagte er und zählte besorgt die Gefäße nach. »Wieso
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