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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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Steigbügel!«, rief jemand vom Mast herab. »Großer Staub!«
    Alle wandten mit einem Ruck die Köpfe. In der Takelage pfiff der Wind, die Bodenbalken stöhnten, der Sand zischte.
    »Dass mich doch das Kamel tritt!«, sagte jemand erschüttert.
    Links erhob sich über den Horizont eine dichte Sandwolke. Zweifellos näherte sich eine riesige Karawane Sibra – an die fünfzehn Schiffe mindestens.
    In Ar-Scharlachis mit drei Falten gezierte Schulter krallten sich schmerzhaft jemandes Finger. Als er sich umwandte, sah er die aufgerissenen dunklen Augen Aliyats.
    »Wie hast du … es gespürt …?«, fragte sie.
    Ar-Scharlachi antwortete nicht. Er drehte sich um und blickte wieder wie gebannt auf den Rauchstreifen. Seine Lippen bewegten sich lautlos.
    »Na, das war’s …«, seufzte jemand nahebei. »Das ist doch die Karawane, die nach Turkla gefahren ist … Hat auf halbem Wege kehrtgemacht …«
    »Sie werden sie kalt erwischen«, sagte der groß gewachsene Räuber mit den umgestülpten roten Lidern. »Da sind sie also in die Stadt eingefallen … Geschickt haben wir uns da abgesetzt …«
    »Beruf es nur nicht!«, schimpfte man mit ihm. »Geschickt! Wenn die jetzt unseren Staub bemerken, dann hast du dein ›geschickt‹!«
    »Staub schwanzwärts!«, scholl es wie zur Bestätigung dieser Worte vom Mast.
    Ar-Scharlachi hielt sich an einem straffen Tau fest und lehnte sich über Bord, schaute. Verfolger? Nicht möglich … Nur ein Schiff – und es kam ebenfalls von Sibra …
    Neben ihm begann Aliyat nervös zu lachen. »Das ist doch der Weiße Skorpion !«, sagte sie voller Verachtung, vielleicht auch voller Begeisterung. »Hat es sich Lako also anders überlegt! Freilich, nichts dagegen zu sagen …«
    Die Staubwolke am Horizont vermischte sich schon mit dem Rauch der Brände. Die Truppen eilten Sibra zum Entsatz und kümmerten sich zu Recht nicht um alle möglichen Kleinigkeiten wie den fliehenden Samum . Die vordringliche Aufgabe war es, die Räuberkarawane zu stellen.
    Dennoch ließ Ar-Scharlachi das Schiff weiterlaufen, bis der Rauch Sibras unterm Horizont verschwunden war. Erst dann befahl er, die Segel zu reffen, und gab dem Weißen Skorpion Gelegenheit, den Samum einzuholen.
    Als sie mit dem Zweimaster gleichauf war, signalisierte die Galeere Halt, und Lako sprang über Bord. Diesmal rannte er, ohne sich um seine Würde zu scheren, dem Samum nach, stolpernd und Sand aufwirbelnd.
    »Neues Spiel?«, stieß er sofort keuchend hervor, sobald er sich auf Deck befand. In seinen Augen las Ar-Scharlachi Furcht und Respekt.
    »Wie sieht es dort aus?«, fragte er mit gepresster Stimme.
    Lako runzelte die Stirn und wischte sie sich mit einer heftigen Handbewegung ab. »Schlecht sieht es dort aus …«, sagte er missmutig. »Oriysa hat die Leute in die Stadt geführt … Kurzum, sie haben sie erwischt …«
    Die Segel schlugen wieder, während sie Wind fassten, das Deck begann zu schwanken. Die Schiffe fuhren weiter – in die Wüste.
    »Und warum bist du nicht geblieben?«
    Anscheinend lächelte Lako, während er mit zusammengekniffenen Augen zu dem verschwimmenden Horizont blickte, wo noch immer der Rauch des brennenden Hafens zu erahnen war.
    »Nun ja«, gab er widerwillig zu, »mir ist plötzlich eingefallen, dass Oriysa nie ein Geistesriese war. Und wenn er erst Geld sieht …! Nein, dachte ich, ich schließe mich lieber dir an, als bei ihm zu bleiben. Und siehst du, ich habe mich nicht geirrt.«
    Er machte eine Pause und musterte Ar-Scharlachi unter gesenkten Brauen hervor. »Ein Gespür hast du … Sag mal, bist du vielleicht ein Zauberer?«
    »Der Herrscher hat ein Edikt erlassen, dass es keine Zauberei gibt«, warf Ar-Scharlachi hin.
    »Laut Edikt gibt es auch keinen Raub. Wie also hast du nun geahnt, dass die Karawane zurückkehrte?«
    Ar-Scharlachi zuckte mit den Schultern. »Nichts habe ich geahnt …«
    »Und warum bist du dann abgefahren?«
    Wie soll ich denn dir das erklären, dachte Ar-Scharlachi finster. »Ich mag kein überflüssiges Blutvergießen«, presste er hervor.
    Lako verstand nicht. »Überflüssiges?«
    Ar-Scharlachi grinste unfroh. Es war an der Zeit, alles ins Witzige zu drehen. Das Gespräch geriet gar zu offenherzig.
    »Da war mal ein alter Mann …«, sagte er ausweichend. »Gojen hieß er … Also der hat gelehrt, dass es im Leben nichts Überflüssiges geben soll.«
    »Na weißt du!«, entgegnete Lako und zwinkerte. »Aber selber trinkst du, wie ich sehe, einen Krug Wein nach dem

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