Unter dem Räubermond
zu machen, und Sibra selbst bleibt entblößt zurück!«
»Und die Garnison?«
»Was ist das schon für eine Garnison! Mit zehn Schiffen anrücken – und sie verkriechen sich allesamt in den Ritzen! Die Garnison …« Lako zog den Schleier beiseite, schaute die Frau an und verzog das Gesicht. Entweder war der Wein zu stark verdünnt, oder der Unmut überwältigte ihn erneut. »Wir haben zwei Schiffe, zwei hat Oriysa … Mit den anderen zusammen macht das gerade neun Schiffe für einen Überfall. Ein Jammer … Wir würden mindestens eine Million in Gold einsacken – und ab nach Kimir!«
»Eine Million?«
»Ja, was meinst denn du? Der ganze Sold für die Truppen des Palmenwegs geht durch Sibra! Diese Idioten, ach, diese Idioten …« Lako seufzte und schaute wehmütig auf den dunkelblauen Abendhimmel im Fenster. »Na schön. Es wird schon dunkel … Bis morgen ist der Liegeplatz bezahlt?«
»Ja.«
»Wunderbar. Das heißt also, wir werden unerwartet auslaufen …«
Er hüllte sich enger in den schneeweißen Stoff und ging zu sich auf den Weißen Skorpion . Allein geblieben, schwiegen Ar-Scharlachi und Aliyat lange Zeit.
»Eins verstehe ich nicht«, wunderte sich Ar-Scharlachi schließlich. »Ich habe mir ja Mühe gegeben, im Kaffeehaus möglichst gut auszusehen … Und wozu? Ich musste sie ja nicht einfach nur loswerden, sondern wollte ihnen auch noch einen Nasenstüber versetzen! Seltsam … Ich hätte irgendeine Dummheit loslassen können – und was hätte sich geändert?«
»Du hast eine Dummheit losgelassen.«
»Nein, sag das nicht!«, widersprach Ar-Scharlachi entschieden. »Du verstehst auch nichts … Ein Überfall auf Sibra – das ist edler Wahnsinn! Auf so eine Verrücktheit kommt nicht jeder … Ja, du hast recht! Sie werden mich für wahnsinnig halten! Aber doch nicht für einen Dummkopf …«
Aliyat stand auf. »Es ist Zeit«, sagte sie. »Bald wird es ganz dunkel. Ich gehe die Leute einteilen … Hast du dich wenigstens entschieden, welchen Weg wir nehmen werden?«
»Ach!« Ar-Scharlachi winkte schwach ab. »Wir hängen uns an den Skorpion – und vorwärts! Lako hat gesagt, er kennt hier alle Wege …«
Nachts löste man beim Lichte des abnehmenden Mondes auf dem Samum und dem Weißen Skorpion die Bremskeile, und beide Schiffe, mit den riesigen Rädern den Sand niederdrückend, bewegten sich mit Muskelkraft zur Hafenausfahrt. Bei leichtem Südostwind setzte die kleine Karawane Segel und nahm, ohne sich zu verstecken, Kurs nach Norden. Zweifellos wurden sie aufmerksam beobachtet. Morgen würden mindestens fünf Meldungen nach Sibra abgehen, dass Scharlach, der sich offensichtlich nicht mit den anderen Anführern hatte einigen können, mit beiden Schiffen nachts zu Ar-Kahirabas Schatten (alias dem Trunkenen, alias dem Niemandsschatten) gefahren war.
Kaum waren sie hinter dem schwarzen Horizont verschwun den, löschten die Schiffe die Lichter und begannen zu wenden. Nachdem er Turkla östlich umfahren hatte, bewegte sich Lako immer härter am Wind vorsichtig über die flachen Dünen, die von großem schwarzem Geröll übersät waren, auf das seitlich gelbes Mondlicht strömte. Manchmal sah es aus, als glitten die Schiffe über glänzendes, knirschendes Pflaster. Dann hörte das Geröllfeld auf, Knirschen und Knacken unter den Rädern wurden vom gewohnten Rascheln des Sandes abgelöst.
Es ging auf Mitternacht, als man auf dem Weißen Skorpion plötzlich Halt signalisierte und sich daranmachte, die Segel einzuholen. Der Samum wiederholte das Manöver der Galeere, und die Schiffe blieben Bord an Bord stehen.
Ar-Scharlachi ging an Deck. Die Nacht war frostig. Die Wüste gab rasch die Wärme ab. Mit krummem Rücken zog Ar-Scharlachi den Mantel enger um sich und ging zur Bordwand. Vom abnehmenden Mond beleuchtet, kam Lako vom Weißen Skorpion her gemächlich auf den Samum zu. Er ging an der Luke vorbei und stieg auf einer Strickleiter an Deck.
»Was ist da?«, fragte Ar-Scharlachi leise, den Blick auf die Schuppen von Mondlicht auf den Dünenkämmen gerichtet.
»Du schaust in die falsche Richtung«, sagte Lako unzufrieden. »Was ist, bist du noch nicht wach?« Er zeigte nach Norden. »Sie folgen uns … alle sieben.«
In der dichten Finsternis, dort, wo der Sand aufhörte und die Sterne begannen, glitten die vom Mondlicht eingefassten Ränder der in der Nacht unsichtbaren schrägen Segel dahin. Die Räuberkarawane zog auf derselben Route gen Süden, und das konnte kein Zufall sein.
»Was
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