Unter dem Räubermond
sprach er irgendwie sonderbar aus, weich und unnötig behaucht.
»Räuber«, empfahl sich Ar-Scharlachi niedergedrückt.
Das breitknochige Gesicht, bis dahin reglos wie ein Stein, zeigte zum ersten Mal einen Ausdruck – entweder Missbehagen oder Verwunderung. Der Mann trat einen Schritt zurück, dass er mit dem Rücken zum Licht stand, und musterte Ar-Scharlachi eingehend.
»Irgendwie nicht recht zu glauben«, sagte er zweifelnd. »Und dein Schiff sieht auch nicht besonders nach einem Räuberschiff aus …«
»Wie es sich eben traf …«, sagte Ar-Scharlachi. »Ich konnte es mir nicht aussuchen.«
Er erschrak sogleich über die Schärfe seiner Antwort und wollte hinzufügen, dass das Schiff früher natürlich nicht Räubern gehörte, doch der Mann gebot ihm mit einer Geste zu schweigen.
»Wie, sagst du, heißt du?«
»Ar-Scharlachi.«
»Los, nimm den Schleier ab!«, verlangte der Unbekannte unvermittelt.
Ar-Scharlachi widersetzte sich nicht und zeigte das Gesicht.
»Du hast in Harwa studiert?«
Zunächst glaubte Ar-Scharlachi, sich verhört zu haben, und antwortete darum mit einiger Verspätung: »J-ja … Aber das ist lange her, sieben Jahre …«
»Richtig, richtig …« Der Unbekannte nickte. »Der Trunkenbold Ar-Scharlachi … Ein Schüler Gojens, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete Ar-Scharlachi verblüfft. Man hätte ihn totschlagen können – unter seinen Bekannten von damals hatte es keinen braunen breitgesichtigen jungen Mann mit platt gedrückter Nase gegeben. Freilich, sein Gedächtnis für Gesichter war immer miserabel gewesen … Besonders damals.
»Und bist du schon lange unter die Räuber gegangen?«
»So vor fünfzehn Tagen …«
Ohne ein Wort zu sagen, trat der Mann ein Stück beiseite und betrachtete den Samum aufmerksam von den Rädern bis zu den Mastspitzen.
»Du bist es scharf angegangen«, bemerkte er, während er weiterhin das Schiff musterte. Dann begriff er anscheinend etwas und wandte sich wieder Ar-Scharlachi zu. »Haben sie deinetwegen heute so viel Staub aufgewirbelt?«
»Ja …«
»Aha …« Der Unbekannte schien bekümmert zu sein. »Und Sibra hast du nicht zufällig angezündet?«
»Doch, ich …«
Ein paar Sekunden verstrichen in Schweigen. Der Mann schaute Ar-Scharlachi forschend an – vielleicht auch ungläubig.
»Also Schüler hatte der weise Gojen …«, sagte er schließlich. »Nun denn. Geh an Bord und fahr dein Schiff dorthin, weg von dem Tank. Es hat hier nichts zu suchen …«
»Von dem …« Ar-Scharlachi blickte sich verwirrt nach dem Fundament der riesigen Metallkugel um, die unter dem Boden des Samum hindurchglänzte.
»Ja doch!«, sagte der Unbekannte, nun schon mit Ungeduld in der Stimme. »Von dem Tank, von dem Tank …! Warne deine Leute nochmals, dass sie sich ruhig verhalten sollen, und du selber kommst wieder herunter und folgst mir …«
Der vollends desorientierte Ar-Scharlachi kletterte über die Strickleiter wieder an Deck. Er blieb unwillkürlich stehen und starrte verständnislos auf die silbern glänzende Kuppel. Das war also ein Tank? Aber freilich, sie konnte doch nicht kompakt aus Metall gegossen sein. Sie war also hohl. Aber was bewahrten sie darin auf? Wasser …? Ja, sicherlich Wasser …
Er blickte zurück, weil er glaubte, der Unbekannte werde ihm nachschauen. Der aber stand da und hatte sich vom Samum abgewandt. Vor Ar-Scharlachis Augen wedelte er mit der erhobenen Hand, und dieser Bewegung Folge leistend, schwenkte der Lichtstrom zu einer anderen Seite und riss eine Reihe kurzer, niedriger Dünen aus dem Dunkel. Auf den Samum aber stürzte eine solche tiefe Schwärze herab, dass Ar-Scharlachi den Weg zum Deckhaus fast tastend zurücklegen musste.
»Und? Was ist?«, hauchte fast unhörbar die unsichtbare Aliyat.
»Hör mal, mach die Lampe an«, bat er erschöpft. »Was sollen wir jetzt ohne Licht sitzen? Sie sehen uns sowieso …«
»Wer?«
»Ich weiß noch nicht …« Ar-Scharlachi holte tief Luft. »Schick Leute an die Antriebstrommel. Wir werden den Samum dorthin fahren, wo Licht ist … Achte darauf, dass niemand das Schiff verlässt, und warte auf meine Rückkehr, verstanden?«
»Holen sie dich weg?«, fragte Aliyat entsetzt.
Ar-Scharlachi zuckte in der Dunkelheit mit den Schultern. »Sie werden mich doch bestimmt laufen lassen … Wozu sollten sie mich brauchen …? Ja, zittre doch nicht so!«, rief er verärgert. »Es ist doch noch gar nichts Schlimmes passiert …«
Bald schon entfernte sich der Samum mit
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