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Unter dem Räubermond

Unter dem Räubermond

Titel: Unter dem Räubermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jewgeni Lukin
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keinerlei Gefahr, die von dem dunklen Metallungetüm ausging. Die Gerüchte von den nickenden Hämmern erwiesen sich als viel unheimlicher denn die Hämmer selbst. Ar-Scharlachi ging sogar der Gedanke durch den Kopf, dass es für ihn viel interessanter wäre, mit den Leuten zu reden, die mitten in der Wüste diese seltsamen Dinge errichtet hatten, als sich mit den Anführern der Räuber oder mit dem ehrwürdigen Aïlscha zu unterhalten …
    »An der Antriebstrommel – vorerst Ruhepause«, befahl er, als die dunkle glatte Sphäre über dem Rad des Samum aufragte. Und nachdem er die Tür zum Deck geöffnet hatte, warf er halblaut hin: »Strickleiter an die linke Bordwand …«
    »Du … willst hinuntergehen?«, fragte Aliyat ungläubig. »Dort hin?!«
    Ar-Scharlachi wollte antworten, kam aber nicht dazu. Vor ihnen schien die Nacht in blendendem, durchdringendem Licht zu explodieren. Tags konnte solches Licht nur von der gekrümmten Oberfläche der Kampfspiegel kommen. Aber jetzt war es ja Nacht!
    »Alle nach unten!«, rief Ar-Scharlachi verzweifelt und warf sich flach aufs Deck, doch seine Worte gingen im allgemeinen Entsetzensschrei unter.
    »Euch verbrennen sie …«, ertönte an seinem Ohr deutlich das Unglück verheißende Flüstern des Zauberers Mbanga.
    Auf den Schrei folgten etliche Sekunden Stille und angespannte Erwartung. Ar-Scharlachi hob die Hand, und die Fingerspit zen, in den Strom hellen, gleichmäßigen Lichts geraten, tauch ten wie von selbst aus der Dunkelheit auf. Hitze verspürten die Finger nicht.
    Da stand er langsam vom Deck auf, schirmte die Augen mit einer Hand ab. »Alle nach unten!«, sagte er heiser, und das nicht, weil der Befehl irgendeinen Sinn gehabt hätte, sondern nur, um die Moral zu heben. Auch die eigene.
    Übers Deck begannen weiße Kittel zu huschen, durchschnit ten von dem seltsamen Licht, das an Helligkeit den bösen Mond bei Weitem übertraf und höchstens hinter der Sonne zurückstand. Auf seine Quelle, die sich gut hundert Schritt vom Samum entfernt befand, konnte man nur mit zusammengekniffenen Augen schauen.
    Bald stellte Ar-Scharlachi fest, dass er allein an Deck geblieben war. Links ragte die unerträglich hell glänzende, silbrige Oberfläche des kugelförmigen Bauwerks auf. Die Tür zum Deckhaus stand offen. Aus den Augenwinkeln sah Ar-Scharlachi, dass Aliyat, mit beiden Händen an die Türpfosten geklammert, erfolglos versuchte, sich zum Überschreiten der Schwelle zu zwingen.
    Da gab er sich einen Ruck und ging zur rechten Bordwand, wo er erstaunt feststellte, dass das Licht sich nicht nach allen Seiten ergoss, sondern ausschließlich in Richtung des Samum . Als hätte jemand ins Zentrum eines einwärtsgekrümmten Kampfschildes ein winziges Stückchen Sonne gehängt und den Spiegel auf ihr Schiff gerichtet. Der Anblick war derart faszinierend, dass Ar-Scharlachi nicht einmal bemerkte, wie sich irgendwo von der Seite her ein seltsam gekleideter Mann der Bordwand näherte und stehen blieb, den Kopf in den Nacken gelegt.
    »Was seid ihr für welche?«, ertönte von unten her eine müde, gebieterische Stimme, und Ar-Scharlachi zuckte zusammen.
    »Ich …«, setzte er an, doch vor Aufregung steckte ihm ein Kloß in der Kehle, und Ar-Scharlachi begann zu husten.
    »Du bist der Oberste?«
    »Ja …«, sagte Ar-Scharlachi heiser und fasste sich an die Kehle.
    Der Mann schwieg, kalkulierte etwas.
    »Sag deinen Leuten, sie sollen im Schiff bleiben«, befahl er schließlich. »Und du selber komm hier herunter.«
    Die Sprossen der Strickleiter rutschten in den schweißnassen Händen. Die vorletzte Sprosse verfehlte Ar-Scharlachi mit dem Fuß, fast wäre er auf den Sand gestürzt. Er sprang herab, richtete sich auf und sah sich einem von jenen gegenüber, vor denen sich der Stahl verneigt.
    Gleichaltrig mit Ar-Scharlachi oder ein wenig jünger, war der Mann tatsächlich etwas seltsam angezogen. Der weiße Mantel und das Kopftuch, das an der Stirn von einem Lederreif festgehalten wurde, gehörten zweifellos zum Palmenweg. Das Gesicht aber verhüllte der Fremde überhaupt nicht. Er war so groß wie Ar-Scharlachi, nur sowohl in den Schultern als auch in den Hüften ein wenig breiter, und seine Gesichtszüge erinnerten eher an Aliyat: ebenso braun gebrannt und breitknochig. Die Nase aber wie von einem Schlag platt gedrückt. Vielleicht war das irgendwann auch so geschehen …
    »Wer bist du?«
    »Ar-Scharlachi …«
    »Hm, das sagt mir nichts«, bemerkte der Unbekannte. Die Worte

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