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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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entfernt.
    »Ich hatte Sie gewarnt«, sagte Rashad nur und setzte sich mit leichtem Fersendruck in die Flanken seines Pferdes wieder an die Spitze der Gruppe. Maya wandte sich um und fasste noch einmal sehnsuchtsvoll die rasch kleiner werdende Karawane ins Auge. Ihr Blick begegnete den ausdruckslosen Augen der beiden Männer, die hinter ihr ritten, und schnell richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorne, auf den schwarzblauen Rücken Rashads, dann auf die Mähne ihres Pferdes. Mit dem Handrücken wischte sie die heißen Tränen zorniger Enttäuschung fort, die sich in den Augenwinkeln gesammelt hatten.
    Als die Sonne sank, die Felsen wie aus Kupfer gegossen wirkten, kam ein Dorf in Sicht, recht groß und von quadratischem Grundriss, markiert durch einen weithin stark riechenden Umgebungswall aus getrocknetem Dung. Einige wenige Steinhäuser und viele einfache Hütten aus Holz und Halmgeflecht fanden in seinem Inneren Platz. Hundegebell war zu hören, und Herden von Schafen und Ziegen wurden neben ein paar Kühen von Frauen in Richtung Nachtquartier getrieben. Ein breiter Streifen von Feldern lag neben dem Dorf, sichtlich trocken und Regen erwartend, brüchige, zu fransigem Stroh gebleichte Getreidehalme der letzten Ernte darüber verteilt. Doch als suchte Rashad die Einsamkeit der Berge oder als wollte er an diesem Tag so viel wie möglich des noch vor ihnen liegenden Weges bewältigen, ritten sie bis nach Sonnenuntergang weiter, bis die Felsen im Westen mit den Farben der Dämmerung verschmolzen.
    Erschöpft setzte Maya sich auf einen Stein und sah zu, wie Rashads Männer in ihrer Nähe einen Teil des Gepäcks abluden und mit nur wenigen Handgriffen drei Zelte errichteten, viereckig und aus dem gleichen schwarzblauen Tuch wie ihre Kleidung. Mayas Unterarm schmerzte noch immer; die Abdrücke von Rashads Fingern hatten sich von ursprünglich rot zu gelblich-violett verfärbt, und ihre Glieder, Rücken und Gesäß waren teils taub, teils schmerzhaft überdehnt und durchgeschüttelt. Doch noch mehr taten ihr die Hände weh, die blasig und wund waren von den Lederriemen der Zügel. Sie schluckte mehrfach, um Speichel in ihrem Mund zu sammeln, spuckte in die Handflächen und verrieb das Wenige an Feuchtigkeit, was sie zusammenbekommen hatte, blies darauf, doch sie spürte nur einen Hauch von Kühlung, kaum Linderung. Hiebe wie von einer Axt erklangen im Halbdunkel, und wenig später glomm es vor den Zelten auf, und anfängliche Flämmchen wuchsen rasch zu einem tüchtigen Lagerfeuer an. Im rotlodernden Licht verrührte einer der Männer Wasser mit Mehl und vergrub das gummiartige Ergebnis in der noch glühenden Asche, die bereits entstanden war, während ein anderer mit einem Messer auf etwas Festes einhackte. Der Dritte war mit den angebundenen Pferden beschäftigt, und gedämpftes Geschlabber und Geschmatze verriet Maya, dass er ihnen Wasserbehälter und Säcke mit Futter um die Hälse gehängt hatte. Bald drang der köstliche Duft von frischem Brot, gebratenem Fleisch und noch etwas anderem zu ihr herüber. Maya begriff, weshalb man sie hier so scheinbar sorglos im Dunklen ohne Aufsicht sitzen ließ. Wie gerissen , dachte sie voller Zorn, wie gerissen, mich zu Pferd in die Berge zu verschleppen! Sie wissen genau, dass ich nach einem solchen Tag zu müde bin, um mich auch nur weiter als zehn Schritte vom Lager wegzubewegen. Dass ich in der Nacht nicht den Weg zum Dorf zurückfinden und mir wahrscheinlich noch auf der steinigen Straße den Hals brechen würde! Je weiter ihr Weg sie ins Landesinnere führte, desto unsinniger würde jeglicher Fluchtversuch Mayas sein, ohne Karte, als unerfahrene Reiterin und unkundig, was die Sitten und Gebräuche der Araber gegenüber einer allein reisenden englischen Frau anbelangte.
    »Zeigen Sie mir Ihre Hände.« Maya hob den Kopf, als Rashad zu ihr trat, einen belaubten, dornenübersäten Ast in den Händen. Unsicher, was er damit vorhaben wollte, den harten Griff um ihren Arm noch in spürbarer Erinnerung, vergrub sie die Hände im Schoß ihrer weiten Hose und schüttelte den Kopf. Er seufzte, als er neben ihr in die Hocke ging, einen schmalen Dolch seitlich aus seinem Gürtel zog und zahlreiche Kerben in das noch weiche Holz ritzte, aus denen sogleich eine zähe Flüssigkeit hervorquoll. »Ich habe gehört, englische Frauen seien fügsam, aber ich kann Ihnen versichern: Sie zumindest können es mit den Frauen meines Stammes aufnehmen. – Nun geben Sie schon her«, fügte er

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