Unter dem Safranmond
uns bislang trotzdem unsere Freiheit gelassen. Das ist gut. Uns im Landesinneren ist es im Grunde egal, wem der Hafen von Aden gehört. Aber es ist eine Frage von Wohlstand oder Armut, ob Eure Regierung eine Politik betreibt, die den Sultan von Lahej bevorzugt und alle anderen Gebiete zu Verlierern macht.«
»Das tut mir leid«, fühlte Maya sich genötigt zu sagen, obwohl sie wusste, wie flach und gezwungen es klang.
Rashad lachte erneut. »Das muss es nicht. Es ist nichts – wie sagt man – Personenhaftes? «
»Persönliches«, verbesserte Maya.
»Nichts Persönliches«, wiederholte Rashad. »Niemand macht Sie für die Politik Coghlans verantwortlich. Und ich führe nur einen Befehl aus, wie ich ihn als Söldner des Sultans bekommen habe.«
Er verstummte, und auch Maya schwieg, als sie über seine Worte nachdachte, strich dabei unbewusst mit dem Handrücken über ihren malträtierten Unterarm. Vieles ging ihr nicht aus dem Kopf, aber eine Sache, die Rashad gesagt hatte und die sie nicht mit den schwarz verschleierten arabischen Frauen in Aden in Einklang bringen konnte, beschäftigte sie besonders.
»Wie haben Sie das gemeint«, begann sie von Neuem, »ich kann es mit den Frauen Ihres Stammes aufnehmen?«
Wieder schienen seine Zähne in der Dunkelheit auf. »Die Frauen von al-Shaheen gelten als ebenso wehrhaft wie ihre Männer. Sie kümmern sich um das Heim, das Vieh und die Kinder; sie spinnen, weben und nähen, wie überall sonst auch. Doch manchmal ist es nötig, dass sie an unserer Seite gegen Feinde kämpfen. Sie sind geschickt mit dem Schwert und tapfer, und weil sie sich uns ebenbürtig fühlen, lassen sie sich von uns Männern auch nicht gerne vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben.«
Maya zögerte einen Moment, bevor sie ihre nächste Frage stellte, unschlüssig, ob sie damit wohl zu weit ginge: »Haben … haben Sie auch eine Frau? Oder mehrere?«
»Eine« , gab Rashad lachend zur Antwort. »Ich bin zu selten bei meinem Stamm, um für mehr als eine sorgen zu können, und sie war auch immer dagegen, dass ich mir eine zweite nehme. Sie ist eine gute Frau! Zwei Söhne und eine Tochter hat sie mir geschenkt. Der Älteste ist Krieger wie ich, der Jüngere schon in den Kreis der Männer aufgenommen und für das Mädchen wird bald ein Mann gesucht werden.« Er klang wehmütig, als er das sagte, und gleichzeitig distanziert, als spräche er über Fremde.
»Ich hätte nicht gedacht, dass Sie schon so alt sind«, entfuhr es Maya, was ein noch lauteres Lachen Rashads zur Folge hatte.
»Ich weiß nicht viel über Euch Engländer, aber ich glaube zu wissen, dass die Zeit eines Menschenlebens bei uns anders verläuft als bei Euch!« Er verstummte für einen Moment, schien ähnlich wie Maya zuvor darüber nachzudenken, ob er seine nächste Frage stellen sollte, ehe er in schuldbewusstem Tonfall wissen wollte: »Haben Sie Kinder?«
»Nein.« Mayas Stimme war brüchig.
Rashad richtete sich zu seiner vollen Größe auf, und er schien erleichtert, als er erwiderte: »Ein Grund mehr, Sie heil zu Ihrem Mann zurückzubringen: Damit Sie ihm noch viele Kinder schenken können.«
Sie sah ihm nach, wie er als schwarze Silhouette zu seinen Männern ans Feuer ging, den Ast hineinwarf, der eine Funkenfontäne freisetzte, sich dann mit gekreuzten Beinen niederließ und einen Becher gereicht bekam, sich in das Gespräch einmischte und lachte. Sein Weg hatte sich mit dem Djamilas gekreuzt, die etwas für Maya vor sich hertrug, das sich als hölzerner, gut gefüllter Teller entpuppte, neben einem tönernen Becher mit einer Art Tee, der Kardamom und Nelken enthielt. Zusätzlich trug sie einen wollenen Umhang über dem Arm gegen die urplötzlich hereingebrochene Kälte der Nacht, die Maya nicht gespürt hatte, solange Rashad bei ihr gewesen war.
Zuerst hatte Maya geglaubt, das Rumoren in ihrem Innern rührte von ihrem leeren Magen her. Doch nachdem sie fast alles aufgegessen hatte – gebratenes Ziegenfleisch, frisches Brot, das sandig und verrußt schmeckte, dazu eine dicke, scharf gewürzte Paste aus Erbsen und Bohnen – machte es sich immer noch bemerkbar, wenn auch leicht abgeschwächt. Maya schob es auf den Gedanken an Ralph und ihre Kinderlosigkeit, den Rashad mit seiner Frage und seiner abschließenden Bemerkung wieder aus einem verborgenen Winkel hervorgeholt hatte, und auf die Empörung, die in ihr schrillte, dass sie wohl überall als Frau nur etwas zählte, wenn sie empfing und gebar; schließlich
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