Unter dem Safranmond
darauf, dass sie darüber nachzugrübeln begann, ob sie es wohl als Auszeichnung empfände, bezeichnete ein Mann sie als »gute Frau« – und ob Ralph je in diesem Sinne über sie gedacht hatte.
Erst als sie neben Djamila in eines der Zelte gekrochen war und auf dem aus Decken hergerichteten Lager augenblicklich erschöpft eingeschlafen war, verlosch dieses beunruhigende Gefühl.
5
Sie waren noch nicht weit geritten, als am nächsten Morgen, am Fuße eines jäh abfallenden, felsigen Gebirgsausläufers, hinter dem sich die gewaltige Wand eines Hochplateaus erstreckte, eine Stadt in Sicht kam. Festungsähnliche Bauten klebten auf halber Höhe der Bergflanke, durch Steiltreppen miteinander verbunden, und weitere Stufen führten hinab zu einer Ansammlung von Häuschen am Fuße des Berges, aus der Ferne nicht mehr als Steinkrümel. Rashad zügelte sein Pferd und zog sich sein Tuch vom Gesicht. »Salim!«, rief er über seine Schulter hinweg, und eilfertig spurtete einer der beiden aus der Nachhut zu ihm vor, nickte eifrig, als Rashad ihm einige Sätze zuwarf, und galoppierte dann, ohne zu zögern, voraus. Rashad dirigierte seinen Fuchs dicht neben Maya und machte eine Kopfbewegung in Richtung der Stadt. »Das ist Az-Zara. Hier betreten wir das Gebiet des Sultans von Lodar. Kein angenehmer Mann. Salim wird die Nachricht von unserer Ankunft überbringen. Sobald wir dort sind, halten Sie sich im Hintergrund und machen alles so wie meine Männer.«
Maya nickte, zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. Ihr Herz pochte schneller vor Angst, und ihre Handflächen waren schweißnass, sodass sie die Zügel fester packen musste. In gemessenem Trab hielten sie auf die Stadt zu, und Maya konnte auf den Treppen oben am Berg reges Treiben erkennen. Menschen wie kleine schwarze Striche, die die Stufen hinabeilten und Maya dabei an das organisierte Gewimmel einer Ameisenstraße erinnerten.
Die Häuser von Az-Zara bestanden aus groben, mit Schlamm zusammengekleisterten Steinblöcken: hohe Bauten, einfach und geradlinig, teils zwischen den graubraunen Felsen errichtet, teils auf ihnen. Auf einer Freifläche mitten in der Stadt sah Salim ihnen schon erwartungsvoll entgegen, das Gesicht unverhüllt, sein Pferd neben sich am Zaumzeug haltend. Hinter ihm reihten sich die Soldaten auf, die so eilig die Treppen hinabgerannt und gesprungen waren, sobald sie von ihrem Ausguck in der Festung den Reitertrupp auf die Stadt hatten zukommen sehen. Um ihre Hüften trugen sie schwarze Tücher und schwer aussehende Patronengurte; die dazugehörigen Gewehre hatten sie auf ihren ärmellosen Westen über der nackten, mageren Brust geschultert. Ihre um den Kopf gewundenen Tücher waren steif und glänzend, von vielen Bädern im Indigo durchtränkt, und ließen dunkle, wie von Pomade schmierig wirkende Lockenschöpfe sehen. Fast einer ironischen Geste gleich, steckte in den Windungen jedes Turbans ein Sträußchen aus Wildblumen und Kräutern.
Maya warf einen Blick über die Schulter und sah, dass auch die bei ihnen verbliebenen zwei Männer das Ende ihres Kopfputzes vom Gesicht genommen hatten, dabei zwar weiche Gesichtszüge enthüllten – der eine war nur auf der Oberlippe spärlich behaart –, die aber trotzdem unverkennbar männlich wirkten. Sie schluckte trocken, von Panik erfüllt.
»Rashad«, zischte sie nach vorne, und mit fragend hochgezogenen Augenbrauen hielt er sein Pferd zurück, bis Maya zu ihm aufgeschlossen hatte. Sie zog ebenfalls das Ende des Tuches von Mund und Kinn und deutete aufgeregt darauf.
»Ich kann das doch nicht weglassen – ich werde doch sofort als Frau erkannt! Als Fremde!«
Rashads Augenbrauen zogen sich belustigt zusammen. »Aus der Nähe schon, aus der Ferne nicht unbedingt. Halten Sie sich hinter meinen Männern, und halten Sie den Kopf gesenkt. Niemand wird Ihnen viel Beachtung schenken.« Er zögerte, und seine Mundwinkel krümmten sich zu einem spöttischen Lächeln. »Jedenfalls nicht, solange ich keinen Fehler mache und der Sultan uns gewogen bleibt.«
»Wie beruhigend«, murmelte Maya vor sich hin. Rashads Lippen verzogen sich zu einem echten Lächeln, und gegen ihren Willen erwiderte Maya es, wenn es auch schwach und unsicher geriet. Er drehte sich im Sattel um und winkte die beiden Männer heran, dann zwinkerte er Maya aufmunternd zu und ließ seinen Fuchs voraustraben.
Sie hielten neben Salim, Rashad vorneweg, Maya zwischen den beiden anderen Männern ein paar Schritte entfernt, und stiegen ab. Sofort
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