Unter dem Safranmond
Dorf, mitten in dieser Einöde, kam in Sicht, und zog wieder vorüber, ohne dass Maya mehr davon zu Gesicht bekommen hatte als fast nackte Kinder, ihre dunkelbraune Haut von einer dicken grauen Staubschicht überzogen, die johlend umhersprangen und in ihr Spiel vertieft den Vorüberreitenden keinerlei Beachtung schenkten. Der Pfad stieg an und fiel wieder ab, in ein weiteres Tal, und auch hier gab es Wasser, Grün und eine Rast. Maya war froh, wieder festen Boden unter den Stiefeln zu haben und ihre schmerzenden Glieder strecken zu können, auch wenn ihre Oberschenkelmuskeln zitterten und die ersten Schritte nach dem Abstieg etwas wackelig gerieten. Rashad hatte das Tempo merklich angezogen, doch es schien Maya vermessen anzunehmen, dass er ihr erst einige Stunden langsameren Rittes hatte geben wollen, bis sie sich wieder daran gewöhnt hatte, im Sattel zu sitzen.
Es tat gut, sich vor dem träge vor sich hin rinnenden Bach hinzuknien, die Ärmel des weiten Hemdes aufzukrempeln und die Unterarme hineinzutauchen, mit den hohlen Händen Wasser zu schöpfen und die Kehle hinabtröpfeln zu lassen. Mochte es auch moosig und nach Stein schmecken, war es doch allemal besser als jenes aus den Wasserschläuchen, das eindeutig ein Aroma von Ziege angenommen hatte. Mit nassen Händen wischte sie sich über das Gesicht, das schweißverklebt und um die Augen herum sandverkrustet war, und legte die gekühlten Finger für einen wunderbar erfrischenden Moment in ihren glühenden Nacken. Lächelnd sah sie den Kaninchen zu, die wie Aufziehspielzeug umhersausten, abbremsten, herumsaßen und mit ihren Näschen zuckten, ehe sie wieder davonhoppelten.
Diese Nager waren nicht das Einzige an Wildtieren hier, wie Maya auf ihrem weiteren Ritt durch das Tal feststellte. Zwischen den dornigen Ästen der Bäume hatten Vögel ihre Nester gehängt, bauchig und fest gewebt wie kleine Jutesäcke. Als schwarzgelbe Federbälle schwirrten sie mit emsigem Flügelschlag durch die Luft, wenn sie ausschwärmten und wieder hurtig zu ihren Jungen zurückkehrten. Ihr Zwitschern erfüllte die Luft mit freudigen Koloraturen.
Einige Meilen weiter kam ihnen eine Karawane entgegen, eine gemächlich zuckelnde Prozession hoch beladener Kamele, begleitet von Männern in sandhellen Gewändern, deren Haut tiefbraun war und die ihre Stirn und Wangen zusätzlich noch mit Indigo geschwärzt hatten. Diejenigen von ihnen, die auf einem der Kamele saßen, ließen ihre Gewehre auf den Knien ruhen, und wer daneben einhermarschierte, trug seine Waffe wie ein Joch auf den Schultern, die Arme locker über Lauf und Kolben herabhängend. Maya schluckte, und ihr Herz pochte wild, als sie den Zug auf sich zukommen sah, der offensichtlich nach Süden marschierte, an die Küste, höchstwahrscheinlich sogar in den Hafen von Aden. Die Männer wirkten wenig Vertrauen erweckend, und doch boten sie vielleicht eine Chance auf Rettung, waren sie Rashads Truppe doch zahlenmäßig überlegen. Sie zögerte, wartete, bis das vorausschreitende erste Kamel auf ihrer Höhe angelangt sein würde, doch Rashad kam ihr zuvor. Er zügelte seinen Fuchs, bis Mayas Brauner sich brav danebengeschoben hatte, und griff sich dann das Zaumzeug ihres Pferdes. So sachte, dass Mayas Pferd ungerührt weitertrabte, und doch hatte seine Geste etwas Entschlossenes.
»Wagen Sie es nicht«, raunte er ihr hinter seinem Gesichtstuch zu. Maya, die sich ertappt fühlte, errötete spürbar und senkte den Blick. Ein Gefühl der Furcht durchfuhr sie ob der bedrohlichen Härte in seiner Stimme. Doch ihr Körper reagierte wie von selbst; als der erste Kamelreiter neben ihr auftauchte, nur etwas mehr als eine Armeslänge entfernt, ließ sie ihre Muskeln anspannen, die Zügel fester packen, bereit, aus ihrem eigenen Reitertross auszuscheren und tief Luft für einen Hilferuf zu holen. Und noch im gleichen Augenblick rang sie nach Atem, weil Rashad ihren Unterarm so fest gepackt hatte, dass ihr Tränen in die Augen schossen und sie vor Schreck und Schmerz beinahe aus dem Sattel gekippt wäre. Rashad hielt sie im Gleichgewicht, erwiderte den ebenso respektvollen wie distanzierten Gruß der Karawanenleute mit einem Nicken und gab Maya erst frei, nachdem auch das letzte Kamel mit baumelndem Schwanz vorbeigeschaukelt war. Bis Maya sich wieder gefangen und vergewissert hatte, dass er ihren Arm nicht mit seiner Kraft zerquetscht, ihr Elle oder Speiche gebrochen hatte, hatten sich Pferdetrupp und Kamelzug schon wieder weit voneinander
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