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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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»Kannst du ihm die zukommen lassen? Dann weiß er, dass ich ihn sprechen muss.« Djamila nahm die Münze entgegen und nickte, in der stillen Hoffnung, es möge Allahs Wille sein, sie zu retten.
    Sie hatten Glück. Schon am nächsten Tag ritt Rashad in den Hof des Palastes. Seine Miene war finster; denn einiges hatte sich nicht wie geplant entwickelt. Aufmerksam wie immer, entging ihm nicht das Aufblitzen in der Luft über ihm, das sachte Klirren, mit dem etwas aus mäßiger Höhe auf den Steinboden prallte und liegen blieb. Er stieg vom Pferd und ging hinüber zu der Stelle, von wo er das Geräusch gehört hatte. Verblüfft las er die Münze auf und legte den Kopf in den Nacken. An einem der Fenster stand Djamila, die es offensichtlich nicht wagte, sich herauszubeugen oder zu rufen, aber heftig gestikulierte. Rashad verstand nicht, was genau sie von ihm wollte, aber er hatte eine Ahnung und nickte ihr zu, ehe er wie verabredet seinen Sultan aufsuchte.
    Natürlich gestattete Sultan Salih seinem Hauptmann, Maya vom Stand der Dinge zu unterrichten und sich mit eigenen Augen zu vergewissern, dass es ihr gut ging. Zu diesem Zweck trafen sie sich im Innenhof, und noch bevor Maya ein Wort herausgebracht hatte, berichtete Djamila hinter ihrem Schleier von den Ereignissen der letzten Tage, leise, damit keines der Worte über ihren kleinen Kreis hinausdrang. Rashad hörte schweigend zu, blickte keine der beiden Frauen an, sondern konzentrierte sich auf die dahinterliegende Hauswand und drehte dabei unablässig die Münze zwischen den Fingern. Seine Augenbrauen zogen sich immer weiter zusammen, je länger Djamila erzählte. Auch als sie schon geendet hatte, blieb er stumm.
    »Bitte, Sie müssen uns glauben und helfen«, platzte Maya schließlich auf Englisch heraus, als sie sein Schweigen nicht mehr aushielt. Sein Blick richtete sich auf sie.
    Wie hätte er ihr auch nicht glauben können? Er kannte diese Art von Schlangen, wie Djamila sie ihm beschrieben hatte, wusste wie sie, dass es sie nur in der Wüste gab und wie man sie unschädlich machte. Jeder hier im Land wusste das. Aber er wusste auch, wie giftig ihr Biss war, absolut tödlich – und dass es gewissenlose Gesellen gab, die sich darauf verstanden, sie einzufangen, in Kisten zu sperren und gegen viel Geld abseits der Stände des suq demjenigen zu verkaufen, der rasch eine unliebsame Person loszuwerden gedachte. Nun machte auch der eigenartige Glanz in den Augen des Sultans Sinn, der Rashad bei seinen letzten Besuchen aufgefallen war. Immer, wenn die Rede auf die Verspätung der Engländer gekommen war oder auf Maya selbst. Rashad hatte ihn als leichte Gemütserregung aufgrund der Verzögerung der Verhandlungen gedeutet, doch nun erschien ihm dieser in neuem Licht und bereitete ihm ein ungutes Gefühl.
    »In spätestens vier Tagen werden Ihre Leute hier sein«, erklärte er. »Sie wurden in Nisab aufgehalten, sind aber bereits unterwegs. Der Geleitschutz des dortigen Sultans wird dafür sorgen, dass es keine weiteren Behinderungen mehr geben wird.«
    Maya schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß nicht, ob das ausreichen wird.«
    Rashads Miene war undurchdringlich. Ein Muskel an seinem Kiefer spannte sich kurz an, lockerte sich aber gleich darauf wieder.
    »Geben Sie mir einen Tag«, entgegnete er schließlich knapp, ebenfalls auf Englisch, und wandte sich zum Gehen, zurück zu seinem Sultan, dessen Gegenwart er hinter einer der Fensteröffnungen überdeutlich spürte. War das nun ein Ja gewesen? Maya konnte es nicht einordnen.
    »Sie müssen mir helfen«, rief sie ihm verzweifelt auf Englisch nach.
    Er warf ihr einen Blick über die Schulter zu. »Einen Tag.«
    Maya sah ihm hinterher, wie er durch das gegenüberliegende Tor verschwand. Und wie einst Sheherazade hoffte sie, sie würde diesen einen Tag überleben.
    Als die Sonne hinter den Bergen sank, die massigen Felsbrocken rot erglühten, ritt Rashad hinaus in die Wüste der Ramlat as-Sabatayn. Er hatte es nicht eilig, denn die ganze Nacht lag noch vor ihm. Die Last seiner Gedanken wog schwer auf seinen Schultern, drückte ihn ebenso tief in den Sattel wie die Hufe seines Tieres in Stein und Staub. Als der erste Stern am Himmel aufglomm, zügelte er seinen Fuchs und stieg ab. Mit gekreuzten Beinen ließ er sich im Sand nieder und beobachtete, wie sich alles um ihn in Indigo färbte und sich eine orangefarbene, nahezu runde Scheibe über den Horizont erhob: fast Vollmond.
    Sein Plan war gut durchdacht gewesen. Doch

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