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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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davon abzuhalten, und Rashad widerstrebte es, ihn dazu zu verleiten, ebensolche Schuld auf sich zu laden, wie er selbst es im Begriff war zu tun. Schlimm genug, dass er diesen Verrat beging. Der Abtrünnige ist der Bruder des Mörders.
    Während Rashad wartete, bis Salim sein Pferd neben seinem Fuchs abgestellt hatte und durch das Seitentor im Palast verschwunden war, machte er sich an seiner Kluft zu schaffen und zog die Kleidungsstücke hervor, die zusammengerollt unter dem weiten Hemd und seinem Umhang verborgen gewesen waren. Dann marschierte er los, gemäß der Wegbeschreibung, die Djamila ihm gegeben hatte.
    Maya fuhr auf, als sie Schritte kommen hörte, feste, schwere Schritte, wie von Stiefeln, und hastete zur Tür. Im Halbdunkel konnte sie eine schwarze Silhouette ausmachen, um die sich eine weite Stoffbahn bauschte. Rashad , jubelte es in ihr, und etwas, das ihr Herz umschlossen gehalten hatte, brach, ließ es frei und leicht schlagen.
    »Hier«, sagte er statt einer Begrüßung, als er sie erreicht hatte, und hielt ihr etwas Dunkles, Weiches hin. »Zieh das unter. Und das darüber.« Gehorsam schlüpfte Maya in die Hosen, wandte sich halb um, um die Kordel an ihrer Taille zuzuziehen und zu verknoten, ehe sie das Gewand darübergleiten ließ, und noch während sie den Umhang umwarf, wickelte Rashad ihr die keffiyeh um den Kopf. Wobei er nicht umhin kam, ihr Haar mit den Fingern aufzudrehen, um es darunter zu verbergen, was Maya von den Haarwurzeln ausgehend einen angenehmen Schauer über den Rücken laufen ließ. Ohne ein weiteres Wort schob er sie aus dem Raum und die Treppen hinunter, auf denen das vielstimmige Gemurmel aus dem Gebetsraum zu hören war, durch das Tor hindurch, hinüber zu den beiden Pferden, die gleichmütig auf die Rückkehr ihrer Reiter warteten.
    Es dunkelte rasch zwischen den Mauern des Hofes; die Dämmerung blich alles zu Grautönen aus, löschte Konturen und Details. Rashad machte sich an seinem Gepäck zu schaffen und reichte Maya ein Paar Stiefel. Sie schlüpfte aus den Pantoffeln, hinein in das festere Schuhwerk, während Rashad ihre Schuhe verstaute, ihr dann das zweite Pferd am Zaumzeug zuführte, dessen Sattel sie erklomm. Den Saum ihres Gewandes schob sie hinauf und verbarg ihn notdürftig unter den Falten des Umhangs, dessen Fülle sie mit einer Hand vor sich zuhielt.
    »Mach alles so wie ich«, zischte er ihr zu, und nebeneinander trabten sie zum Tor hinaus. Die beiden Wachposten davor hoben grüßend die Hand, riefen einige freundliche Worte, die Rashad erwiderte, während Maya sich mit einem stummen Nicken begnügte, und zügig ritten sie die Anhöhe hinab.
    Schweigend entfernten sie sich unter dem Geklapper der Hufe von der Stadt, die bald nur noch eine breite Streuung von Lichtpünktchen in der Dunkelheit war, kleiner wurde, verschwand und das Feld den Silbertupfen der Sterne überließ. Gott schütze dich, Djamila.
    »Yalla« , rief Rashad plötzlich, galoppierte scharf an, und Maya folgte seinem Beispiel. Sie jagten in die Nacht hinaus, und der Wind, der sie hoch oben auf dem Pferderücken traf, den Umhang rauschend hinter ihr herflattern ließ, war in diesem Augenblick das Herrlichste, was Maya sich hätte vorstellen können. Frei – ich bin frei!
    »Langsam«, ermahnte sie Rashad nach einer Weile, und mit einem Seitenblick auf ihn ließ Maya ihr Reittier ebenfalls in eine ruhigere Gangart fallen. Jetzt spürte sie auch, dass der Boden unter den Hufen weicher war und zäh und er schwere Fontänen aufwirbeln ließ.
    »Wir müssen die Pferde schonen«, hörte sie ihn sagen. »Vor uns liegen drei Tage in der Wüste.«
    »Warum keine Kamele?«, gab Maya mit einem übermütigen Lachen zurück.
    Rashad gab einen unwilligen Laut von sich. »Kamele sind gut für weite Reisen in tiefem Sand und für schwere Ladung. Aber um auf diesem Boden schnell zu sein, sind unsere Pferde besser.« Er verfiel in ein Schweigen, das Maya in seiner Unnahbarkeit einen tiefen Stich versetzte, und sie wagte nicht, einen Laut von sich zu geben.
    Es war ein mühseliger, ein kräftezehrender Ritt, für Mensch und Tier, während einer langen Nacht und eines noch längeren Tages. Jeder Schritt wurde zur Anstrengung; die Sonne, grell vom Sand zurückgeworfen, blendete, ließ die Luft erglühen und aufwabern. Maya hatte Durst, doch sie traute sich nicht, Rashad um mehr Wasser zu bitten, als er ihr bei den kurzen Pausen mit einem aus den Schläuchen gefüllten Becher zu trinken gab, hoffte inständig,

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