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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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abwenden musste. »Kamele, davor zwei Pferde, aber keine arabischen Reiter. Schwerfällige Engländer.« Sein Blick senkte sich auf seine Hände, die die Zügel umschlossen. »Unser Weg ist hier zu Ende, Maya.«
    Er wirkte gelassen, fast heiter, und Maya erriet, dass er es genauso geplant hatte: den Männern des Sultans, dem abtrünnigen Krieger und dem von ihm geraubten Unterpfand auf den Fersen, so lange auszuweichen, bis die Engländer in Reichweite waren und er Maya zu ihnen schicken konnte. Bewunderung für seine taktische Klugheit streifte sie, die sich aber sogleich in den Fluten der Traurigkeit auflöste, die in ihr aufstiegen. Sie hatte gewusst, dass dieser Moment kommen würde, und doch fühlte sie sich nun davon überrascht, auf seltsame Art betrogen. Maya mühte sich ab, das würgende Gefühl in ihrem Hals hinunterzuzwingen. »Wohin wirst du gehen?«
    Rashad wich ihren Blicken aus, musterte die Lederriemen des Zaumzeugs, fuhr mit den Fingern darüber, hakte sie darunter ein und löste sie wieder. »Ich reite meinen Leuten entgegen und werde sie aufhalten, damit ihr ohne Kampf zurückreiten könnt.«
    »Was werden sie mit dir machen?« Maya konnte nur noch flüstern.
    Sein Mund unter dem Bart zuckte. »Mich ihrer Gerichtsbarkeit unterstellen.«
    Maya kniff für einen Moment die Lider zusammen, als die Vorstellung schmerzhaft durch sie hindurchfuhr, wie ein solches Urteil wohl ausfallen mochte. »Das kann ich nicht zulassen«, widersprach sie rau.
    Rashad sah sie an und lachte leise. »Maya, ich bin ein al-Shaheen. Ich habe das ’ird gegenüber meinem Sultan verletzt. Und ich habe zweifach die Ehe gebrochen – deine und meine.« Er senkte seine Stimme. »Ich bereue nichts. Aber ich kann auch nicht so tun, als sei nichts geschehen.«
    Sie verstand ihn, sträubte sich auch alles in ihr dagegen. »Dann flieh«, bat sie ihn dennoch, »oder komm mit mir!«
    Sein Blick wurde weich. »Es gibt hier kein ›oder‹ mehr, Maya. Ich entkomme ihnen nicht, sie sind in der Überzahl, auf mindestens ebenso guten Pferden wie dem meinen. Von deinen Leuten habe ich ebenfalls keine Milde zu erwarten – gleich«, setzte er hinzu, als er sah, dass Maya etwas erwidern wollte, »gleich, wie heftig du für mich Fürsprache halten wirst. Für uns gibt es keinen Ort, an dem wir zusammen sein können. Geh zurück zu deinem Mann«, fügte er sanft hinzu. »Und ich stelle mich den Folgen meines Handelns, bewahre so den letzten Rest von Ehre, der mir geblieben ist. Wenigstens«, seine Augenbrauen stießen über der Nasenwurzel zusammen, »wenigstens habe ich das rafiq erfüllt: Du kehrst unbeschadet zu deinen Leuten zurück.«
    »Ich will nicht ohne dich sein«, hielt sie flüsternd dagegen, und die ersten Tränen lösten sich, rannen ihr die Wangen hinab.
    »Das wirst du nicht«, entgegnete er, und seine Stimme klang heiser. Er ergriff ihre Hand und legte sie auf seine Brust, dorthin, wo unter dem indigoblauen Tuch sein Herz schlug. »Das ist deines. Solange es mich geben wird, wirst du darin sein.«
    Als er sie losließ, fasste sie sich in den Nacken und löste den Verschluss ihrer Halskette, winkte Rashad zu sich, und er neigte sich ihr gehorsam aus dem Sattel entgegen. Sie legte ihm die Kette mit dem Medaillon ihrer Großeltern und dem aufgefädelten Ehering um und wollte ihm damit so viel von sich mitgeben wie möglich. Seine Nähe, das Gefühl seiner Haut unter ihren Fingerspitzen, zerrissen sie innerlich, als sie überprüfte, ob der Verschluss halten würde.
    »Möge sie dich beschützen, Rashad vom Stamm al-Shaheen …« Ihre Stimme zitterte und versagte, wie ihre Hände, die fahrig zu den Zügeln griffen. Doch sie machte keine Anstalten, loszureiten, sah ihn nur an, versuchte verzweifelt, sich jedes noch so kleine Detail seines Äußeren ins Gedächtnis einzubrennen. Denn sie wusste, jede Umarmung, jeder Kuss würde sie zerbrechen lassen angesichts der Endgültigkeit des Abschieds.
    »Yalla!« , rief er zornig, versetzte ihrem Pferd mit der flachen Hand einen Schlag auf die Kruppe, dass es wiehernd einen Satz vorwärts machte, Maya aus ihrer Erstarrung riss und sie antraben ließ. Im Sattel wandte sie sich noch einmal um.
    Rashad sah ihr nach, legte seine leicht geschlossene Rechte an die Lippen, dann an seine Stirn, murmelte Worte, die nicht mehr zu ihr drangen, öffnete leicht die Finger und hob sie gen Himmel. In einer leichten Geste, wie ein Gebet oder einen Schwur, den er dort hinaufschickte, zu Allah, ehe er energisch

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