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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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vollkommen auf das Zuhören zu konzentrieren und seine Gedanken dabei zu ordnen. Das angefangene Paar Socken, von denen sie das Jahr über mehrere Dutzend für wohltätige Zwecke zu stricken pflegte, hätte eine gute Alternative dargestellt. Doch wagte sie es nicht, aufzustehen und den Handarbeitskorb heranzuholen, um Ralph nicht den Eindruck zu vermitteln, sie nähme seine abenteuerlichen Erzählungen nicht ernst.
    »Zuerst schien sie ganz munter«, berichtete er weiter, sich nun doch am Cognacschwenker festhaltend. Tante Elizabeth gehörte zu jenen Menschen, denen gegenüber auch Wildfremde bereitwillig ihr Herz ausschütteten, ihr ihre tiefsten Kümmernisse anvertrauten. Ralph Garrett bildete hierbei keine Ausnahme. »Aber je länger wir unterwegs waren, desto stiller wurde sie, und umso bedrückter. Als erinnerte sie sich an Dinge, die auf ihrem Hinweg geschehen waren, und litte darunter. In Aden dann«, er nahm einen tiefen Zug, atmete tief durch und trank noch einen Schluck, »gebärdete sie sich wie eine Wahnsinnige. Wollte keinen Tag länger dort bleiben, mich kaum in ihrer Nähe dulden. Sich auch nicht von Styggins – ich meine, von unserem Arzt, Dr. Steinhäuser – untersuchen lassen, ob sie auch wirklich unverletzt war! Zum Glück«, er nickte Tante Elizabeth dankbar zu, als sie ihm nachschenkte und sich ebenfalls erneut eingoss, »zum Glück gewährte mir der Colonel unverzüglich Urlaub. Von meinen sechzig Tagen für das vergangene Dienstjahr ist zwar schon die Hälfte durch die Reise nach Ijar und zurück aufgebraucht, aber Coghlan hat eingesehen, dass sowohl Maya als auch ich etwas Erholung brauchen werden, und hat mich bis Mitte November freigestellt.« Mit der freien Hand massierte er sich die Stirn. »Sie muss Furchtbares durchgemacht haben. Nehme ich jedenfalls an, sie spricht nicht darüber, sondern beharrt unablässig darauf, dass es ihr gut geht. Aber es geht ihr nicht gut! Nicht einmal«, er brachte es kaum über sich, seine Rede fortzusetzen, »nicht einmal ihren Ehering und ihre Kette mit dem Medaillon haben diese Bastarde ihr gelassen!« Er zog die Nase hoch, rieb sie sich mit der Rückseite seines Zeigefingers, wehrte aber ab, als Tante Elizabeth ihm ihr spitzenumrandetes Taschentuch reichen wollte. »Und Coghlan«, Ralphs Miene zeigte tiefste Verachtung, »Coghlan denkt nicht daran, Vergeltungsmaßnahmen einzuleiten. ›Was wollen Sie, Lieutenant‹«, ahmte er in überzogener Manier seinen Vorgesetzten nach, »›Sie haben sie doch unversehrt zurückbekommen! Ist doch alles in Ordnung!‹« Ralph starrte in sein Glas mit dem Rest der zimtbraunen Flüssigkeit. »Alles in Ordnung« , wiederholte er bitter. »Nichts ist in Ordnung. Gar nichts.« Er sah Tante Elizabeth unverwandt an, und seine Stimme war nur noch ein angstvolles Flüstern, als er hinzufügte: »Ich erkenne sie nicht mehr wieder, Mrs. Hughes. Sie hat nicht einmal wirklich zur Kenntnis genommen, dass ich wichtige persönliche Dinge, die ich ihr mitbringen wollte, verloren habe. Das ist nicht mehr meine Maya.«
    Ah, diese unsägliche Angewohnheit von euch Männern, in diesem besitzergreifenden Tonfall über uns Frauen zu sprechen wie von einem Hund! Mein Spaniel Lord Nelson. Meine Elizabeth. Meine Maya. Und wie gerne ihr euch darüber beklagt, dass wir irgendwann nicht mehr die unschuldigen Lämmchen sind, die ihr einst gefreit habt! Doch eingedenk der schweren Wochen, die nicht nur hinter Maya, sondern auch hinter deren Ehemann lagen, übte Tante Elizabeth sich in Nachsicht. »Das kommt schon wieder alles in Ordnung! Maya ist eine echte Greenwood, und unsere Familie hat sich von jeher durch eine zähe Natur hervorgetan.« Mit echtem Mitgefühl sah sie den jungen Mann an. »Sie wollen sich gewiss auch ausruhen. Ich verfüge leider nur über ein einziges Gästezimmer, aber –   «
    »Haben Sie vielen Dank, Mrs. Hughes.« Ralph erhob sich. »Ich möchte heute noch weiterreisen, zu meiner Familie nach Gloucestershire. Dort gibt es für mich einiges zu klären und auch ein paar finanzielle Angelegenheiten zu regeln. Ich habe beträchtliche Schulden bei der Verwaltung in Aden durch diese ganze Geschichte. Wenn ich nicht auf ewig dort Dienst schieben will, bis ich diese von meinem Sold abbezahlt habe, sollte ich mich rasch darum kümmern.« Der reduzierte Sold für den Urlaub hatte gerade eben gereicht, um die Heimfahrt für sich und Maya zu bezahlen; an seine immer noch bestehenden Spielschulden wollte er derzeit lieber nicht

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