Unter dem Safranmond
ihr.
»Die gehört Ihnen.«
Als Maya die Münze aus der Zeit von Himyar entgegennahm, berührten sich ihre Fingerspitzen. Nur für den Bruchteil eines Herzschlages, aber es reichte, um einen Funken zu schlagen, der Maya bis ins Mark traf. Sie hörte, wie er den Atem anhielt, glaubte einen Riss in dem Panzer der Unnahbarkeit wahrzunehmen, den er vor sich hertrug, ehe er sich, scheinbar beschäftigt, wieder abwandte.
»Danke«, murmelte sie verlegen, machte eine Faust um das alte Geldstück und wickelte sich tiefer in den Umhang. »Danke«, wiederholte sie mit Nachdruck. »Für alles.«
»Sie sollten schlafen gehen«, gab er spröde zurück. »Das Zelt ist für Sie. Es wird noch sehr viel kälter werden heute Nacht. Und morgen liegt wieder ein solcher Ritt vor uns.«
Maya nickte, stellte den leeren Becher ab und stand wortlos auf. Die Tuchbahn des Zelteingangs in der Hand, zögerte sie. Zwei Tage noch… niemand wird es je erfahren. Einen flüchtigen Moment lang dachte sie an Ralph, durchzog sie Schuldbewusstsein wie ein leichter Krampf in ihrem Inneren, das sie dann aber mit aller Macht abschüttelte. Niemand wird es je erfahren.
»Wenn«, begann sie, schluckte, bestürzt über ihre eigene Kühnheit, nahm dann aber allen Mut zusammen. »Wenn es so kalt wird heute Nacht – Sie können auch gerne mit im Zelt – « Sie brach ab, lauschte in die Richtung, in der sich ein Schattenriss hinter den blässlichen Flammen abzeichnete. Als alles still blieb, biss sie sich auf die Unterlippe und schlüpfte ins Zelt, trat zornig die Stiefel von sich und warf sich auf die Decken, die Rashad ausgebreitet hatte. Das Gesicht mit den brennenden Wangen in den Armen vergraben, schämte sie sich zutiefst. Du bist so dumm, Maya! Nun muss er glauben, ich wollte ihm meinen Körper zum Dank für seine Hilfe anbieten! Hoffentlich lässt er mich jetzt nicht hier allein in der Wüste sitzen. Verdient hätte ich es!
Rashad hielt seinen Becher so fest umklammert, dass er jeden Moment erwartete, ihn krachend in seiner Hand zersplittern zu hören. Bis vor wenigen Augenblicken hatte er sich noch in der Sicherheit gewogen, dieses Wagnis allein des rafiq wegen eingegangen zu sein. Doch die Wüste, mag sie auch selbst oft trügerische Fallen stellen, duldet keine halbherzigen Täuschungsversuche. Nicht umsonst zog sie von jeher Propheten und Heilige an, um darin Gottes Wort und Weg zu empfangen. Die Wüste bietet nur Wahrheit oder Wahnsinn, niemals etwas dazwischen. Und Rashad, der Sohn Fahds, der Sohnessohn Husam al-Dins, vom Stamme al-Shaheen, wusste nicht, wonach von beidem er griff, als er den Becher abstellte und aufstand, um hinüber in das Zelt zu gehen, zum ersten Mal in seinem Leben nicht Ehre und Pflicht gehorchend, sondern seinem Herzen, das ihn sich so weit hatte vorwagen lassen, dass die dünne Linie zwischen Recht und Unrecht längst hinter ihm lag.
Mit den eigenen Schuldgefühlen kämpfend, musste Maya eingedöst sein, denn sie schreckte zusammen, als sie Geräusche vernahm, ein leises Knistern, ein Scharren. Sie hielt den Atem an, und unter ihrem eigenen Herzschlag konnte sie das sachte Auf- und Abebben eines anderen Atems hören. Sie streckte ihre Hand aus, hinein in die absolute Finsternis des Zeltes. Auf ihrer Handfläche spürte sie ein zartes Prickeln, das von der abgestrahlten Wärme eines Körpers herrührte. Ihre Mundwinkel zuckten ungläubig, verzogen sich dann zu einem Lächeln. Weiter reckte sich ihr Arm, und Maya gab einen erstickten Laut von sich, als etwas sie am Handgelenk packte, sie sich über den Tuchboden gezogen fühlte, hin zum Kern dieser verlockenden Wärme. Ihr Gesicht suchte seinen Atem, senkte sich darauf herab, legte sachte ihren Mund auf den seinen, wo er einen Moment ruhen blieb, ehe sie ihn küsste.
Rashad lag still, und als Maya schon glaubte, er würde sich ihr entziehen, sie von sich stoßen, erwiderte er ihren Kuss. Spitz und hart zuerst, wie in Abwehr. Doch Maya lockte und umschmeichelte mit Lippen und Zunge, bis sein Mund unter dem ihren weich wurde, offen, ebenso gab wie nahm. Scharf sog sie die Luft ein, als er ihre Schultern umfasste, ihre Arme streichelte, sie an sich presste und wieder von sich schob, um ihr das Tuch vom Kopf zu streifen, mit den Fingern ihr Haar durchkämmte, das an den von den Lederriemen der Zügel rauen Stellen seiner Hände haften blieb wie an Kletten. Sie schmiegte Mund und Nase an seinen Hals, spürte das Pochen darunter, badete in seinem Geruch, der schwer
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