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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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seinen Fuchs wendete und davongaloppierte, zurück in die Wüste.
    Maya zwang sich, wieder geradeaus zu blicken, ihr Pferd weitertraben zu lassen, in die Richtung, die Rashad ihr angegeben hatte. Blind vor Tränen ritt sie nach Gefühl, in das gleißend weiße Licht der Sonne hinein. Bis aus dem Boden, flimmernd und flüssig, die Umrisse zweier Pferde aufstiegen, flach und gewellt wie eine Luftspiegelung, deren Reiter in scharlachrotes Tuch gekleidet waren. Coghlans Männer.
    »Lieutenant!« Ralph zuckte zusammen. Die Straße zog sich endlos, und obwohl er in Nisab ein gutes Pferd hatte erwerben können – wenn auch zu einem Wucherpreis –, kamen sie nur schleppend voran, weil Muhsins Männer auf ihren Kamelen weiterhin gemütlich vor sich hin trabten. Mit zusammengekniffenen Augen folgte er Private Fiskers ausgestrecktem Arm. Ein Reiter kam aus der Wüste, kirschrot und schwarzblau gekleidet, hielt auf die Weihrauchstraße zu, halb im Galopp, mehr aber in stolperndem Trab. Als sei sein Pferd müde oder er selbst unsicher und ebenfalls erschöpft.
    Sie sind da. Sie werden mich nach Hause bringen. Nach Hause. In plötzlich aufwallender Erleichterung riss sich Maya ihre keffiyeh herunter, schüttelte ihr Haar aus und winkte ihnen mit dem indigogefärbten Tuch entgegen.
    Private Fisker und Lieutenant Ralph Garrett tauschten einen verblüfften Blick, dann gaben sie ihren Pferden die Sporen und galoppierten los, Maya in Empfang zu nehmen und sicher den ganzen Weg zurückzugeleiten.
    Doch sie spürte genau, wie ein Teil von ihr in der Wüste zurückblieb. Bei Rashad.



 
    Warum begegnen wir uns auf der Brücke der Zeit
nur für einen Gruß, eh’ wir auseinandergeh’n?
Ein Gruß, um auseinandezugeh’n;
doch fragt der Troll in mir:
Geh’n wir nicht auseinander, um uns neu zu begegnen?
Ah! Ist es so?
    R ICHARD F RANCIS B URTON ,
The Kasidah of Haji Abdu El-Yezdi

1
     Elizabeth Hughes, geborene Greenwood, schloss lautlos die Tür zu ihrem Gästezimmer, schlich dann auf leisen Sohlen die steile Treppe hinunter. Auf der Hälfte der Stufen glaubte sie ein Geräusch gehört zu haben, blieb stehen und horchte. Erleichtert atmete sie auf, als sie feststellte, dass es nur die Regentropfen gewesen waren, die auf das Dach und gegen die Fensterscheiben prasselten, und setzte ihren Weg in das mittlere Stockwerk hinab fort. An der Tür zum Salon blieb sie stehen. Betty, ihr Hausmädchen – immer noch als solches bezeichnet, obwohl kaum jünger als die Hausherrin –, bemühte sich sichtlich, möglichst geräuschlos am Servierwagen zu hantieren, Tee einzuschenken und die gefüllten Tassen auf dem niedrigen Tisch neben den Gurkensandwiches und dem aufgeschnittenen Butterkuchen abzustellen. Voll Mitgefühl betrachtete Tante Elizabeth die breiten Schultern, rotberockt und goldbetresst, die über die niedrige Lehne des Sessels hinausschauten, den Hinterkopf mit dem glattgebürsteten, sandfarbenen Haar, der leicht vornübergeneigt war. Armer Junge, ist bestimmt auf der Stelle eingeschlafen.
    »Danke, Betty«, flüsterte sie mit einem Nicken, als der gute Geist des Hauses vor ihr knickste und sich zurück in die Küche begab, sie selbst auf Zehenspitzen in den Salon tippelte, um den müden Kopf sachte auf ein Kissen zu betten. Doch Lieutenant Ralph Garrett schlief nicht.
    »Bring mich nach Bath«, hörte sie ihn flüstern. Die Worte kamen flach aus seinem Mund, als besäße er nicht mehr genügend Kraft, um zu sprechen. »Sie hat immer nur gesagt: ›Bring mich nach Bath, zu Tante Elizabeth.‹«
    Anstatt wie beabsichtigt das Kissen vom Sofa zu holen, wandte sich Tante Elizabeth zu dem niedrigen Schränkchen unweit der Tür, bückte sich ächzend, um den Schlüssel umzudrehen und hinter den beiden Flügeltüren mit den eingeschnitzten Obstkörben zwei bauchige Gläser und eine verstöpselte Karaffe aus Kristall hervorzuholen.
    »Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht«, sagte sie, als sie die Türen mit dem Ellenbogen wieder zuschubste, zur Sitzgruppe ging und sich mit einem Seufzen auf dem Sofa niederließ. »Aber ich habe einen Cognac bitter nötig.« Sprach’s, und platzierte vor sich und Ralph jeweils ein gut gefülltes Glas neben ihre Teetassen. Die Karaffe ließ sie vorsichtshalber in Reichweite stehen.
    Doch Ralph rührte nichts davon an, starrte regungslos vor sich hin, die Unterarme auf die Knie gestützt. Tante Elizabeth trank einen großzügigen Schluck, räusperte sich wohlig, als die scharfe Flüssigkeit die Kehle hinabrann,

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