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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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deren Inhalt würde vor allem für die Pferde reichen. Stechende Kopfschmerzen plagten sie, ein taubes Gefühl unter der Schädeldecke ließ sie schwindeln. Ihre Augen brannten, die Kehle nicht minder, und immer wieder nickte sie ein vor Mattigkeit, bis ein Stoß Rashads sie wieder aufschreckte. Er gab keine einzige Silbe von sich, und Maya verlangte auch nicht danach. Es fiel ihr schon schwer genug, sich halbwegs aufrecht im Sattel zu halten, die Zügel nicht entgleiten zu lassen, das Atmen nicht zu vergessen. Und das ist der Preis für die Freiheit.
    Blutrot flimmerte die Sonne, und in ihrem grellflammenden Licht wechselte die Farbe des Sandes von Gelb zu Rosa, wie ein Ozean aus zertretenen Blütenblättern . Maya rieb sich mit dem Handrücken über die Augen, um wieder besser sehen zu können. Die Dünen dunkelten rostrot nach, kühlten dann in Lavendel und eisigem Blau aus.
    Rashad zügelte sein Pferd, stieg ab, und Maya tat es ihm gleich, sackte zu Boden und auf die Knie, weil ihre Beine sie nicht mehr trugen. Müde sah sie zu, wie er beide Pferde ein paar Schritte wegführte und an einem Pflock anband, sich dann auf dem Boden zu schaffen machte. Ein metallisches Klirren und Kratzen, dann hörte sie die Pferde gierig schlabbern. Maya rappelte sich auf, mehr von Neugierde getrieben denn mit tatsächlich vorhandener Kraft, und ging zu ihm.
    »Ein Brunnen«, krächzte sie erstaunt, als sie die Umrandung aus flachen Steinen sah, den an einer Kette befestigten Eimer, in den die beiden Pferde abwechselnd ihre Mäuler tunkten. Rashad ließ den Eimer erneut in den Schacht hinab, zog ihn wieder hinauf und gab Maya einen bis zum Rand gefüllten Becher. »Grundwasser«, erklärte er, als sie ihn leer zurückreichte, keuchend vom hastigen, atemlosen Trinken. »Ist nicht der Einzige hier.« Er füllte ihn erneut, und während Maya sich hinhockte, langsamer trinkend diesmal, beobachtete sie, wie er aus dem Gepäck ein dunkles Tuch zog und mit wenigen Handgriffen ein kleines Zelt errichtete. Sie war zu erschöpft, um ihm ihre Hilfe anzubieten, aber er schien dergleichen auch nicht zu erwarten. Es war bemerkenswert, wie vertraut ihm die scheinbar leere Wüste war. Jeden Stein schien er zu kennen, jede wandelbare Verwerfung der staubigen Dünen. Weniger als eine Landschaft: kein Raum, nur Himmelsfläche und halb pulvriger, halb harter Boden, zwischen denen er sich jedoch mühelos orientieren konnte, während sie für Maya keinerlei Anhaltspunkte boten. Als das Zelt stand, wanderte er hinaus, bückte sich immer wieder und sammelte etwas auf, zerrte an einer Stelle an etwas herum, bis er es dem Untergrund entrissen hatte.
    »Viel ist es nicht«, sagte er, als er mit einem Armvoll dürren Reisigs zurückkehrte, »aber für einen Kaffee wird es reichen.«
    Schweigend saßen sie nebeneinander vor dem kümmerlichen Feuer, tranken ihren Kaffee, kauten auf den Stücken gummiartigen Fladenbrotes herum, die Rashad zwischen ihnen aufgeteilt hatte. Die beiden Pferde schnaubten müde vor sich hin, und Maya begann sich ein wenig zu erholen.
    »Wohin reiten wir?«, fragte sie, als sie die Stille nicht mehr ertrug.
    »Wir machen einen Umweg durch die Ramlat as-Sabatayn, um Zeit zu gewinnen. Dann kehren wir auf die Weihrauchstraße zurück. Wenn alles gut geht, treffen wir dort auf Ihre Leute.« Seine Einsilbigkeit traf Maya mitten ins Herz, und sie schluckte die Frage hinunter, was sein würde, wenn es nicht gut ginge. Sie sah über den Rand ihres Bechers hinaus in die Dunkelheit, wo am dunklen Nachthimmel der Mond prangte, voll und rund, in einem warmen Gelb, wie Safran. Ihr Blick wanderte weiter, bis ihr Kopf sich in den Nacken legte. Die Sterne standen so tief, klar und prächtig, dass Maya glaubte, sie könnte sie heruntersammeln, wenn sie nur den Arm weit genug ausstreckte.
    »Und Allah sprach«, hörte sie Rashad leise neben sich, »›wärst du nicht gewesen, Mohammed – ich hätte das Firmament nicht erschaffen‹.«
    Maya bewegte sich nicht, ließ seine Worte, seine Stimme in sich nachklingen, die überwältigende, beängstigende Schönheit von Himmel und Wüste, die sie vor Augen hatte, die sie umgab, und blinzelte ihre Tränen fort. Tränen vollkommener Seligkeit und quälender Sehnsucht. Drei Tage … Nein, nur noch zwei… und dann? – Werden wir uns wohl niemals wieder sehen … beantwortete sie selbst ihre Frage. Erst als sie hörte, wie Rashad sich regte, sah sie zu ihm hin. Er zog etwas aus seinem Gürtel und reichte es

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