Unter dem Safranmond
angenehme Art den Kontakt zu den Greenwoods zu halten, ohne die Etikette dabei im Mindesten zu verletzen.
Vor allem aber besaß William Penrith-Jones etwas, worauf Angelina bei ihrem Zukünftigen den allerhöchsten Wert legte: jede Menge Geld und die Bereitschaft, es großzügig auszugeben. So war es kein Wunder, dass sich Angelina über die Zeit für ihn erwärmte. Und als Mr. Penrith-Jones den an ihn gerichteten Briefen seiner Angebeteten zwischen den Zeilen entnahm, dass diese huldvollst seine Werbung in Erwägung zu ziehen gedachte, wartete er das Ende des für Angelina vorgeschriebenen Trauerhalbjahres ab, ließ noch eine Anstandsfrist von einem Monat verstreichen und sprach dann in Black Hall vor, um Mr. und Mrs. Greenwood in aller Form um die Hand ihrer Tochter zu bitten – welche ihm selbstverständlich gewährt wurde. Genauso selbstverständlich würde man mit der Bekanntgabe der Verlobung warten, bis das Trauerjahr der Eltern vorüber war; dafür würde die Hochzeit schon ein halbes Jahr später, Mitte August, gefeiert werden. Um Angelina über diese ihr endlos scheinende Verzögerung hinwegzutrösten, erteilte ihr Verlobter – das Einverständnis ihrer Eltern natürlich vorausgesetzt – ihr Carte blanche beim Aussuchen und Bestellen ihrer neuen Garderobe sowie der Aussteuer. Was sich Angelina selbstverständlich nicht zweimal sagen ließ.
So lagen im Salon von Black Hall an diesem nebelverschleierten Vormittag Mitte Oktober auf dem Tisch, den Sesselpolstern, Rücken- und Armlehnen und auf dem Teppich Stoffmuster in allen erdenklichen Farben und Qualitäten herum – Taft und Organdy, Samt und Seide, Atlas und Batist, Satin und feine Wollstoffe in Maigrün, Zartgelb, Bleu und Rosé, changierendem Malachit und sattem Ozeanblau. Mit Streublümchen, Paisley-Mustern, eingewebten Bordüren, kontrastierend gestreift oder Ton in Ton. Dazwischen verstreuten sich Bänder und Spitzenstücke, auf Pappkarton gezogene Knöpfe, Kleiderskizzen und aufgeschlagene Modemagazine wie Les Modes Parisiennes . Angelina kniete zeitweise auf dem Boden, blätterte die Magazinseiten durch, legte ein Stoffstück daneben, murmelte etwas vor sich hin, ehe sie wieder aufsprang und hektisch ein bestimmtes Muster aus chinesischer Seide zu suchen begann, das sie vor einer halben Stunde bereits in der Hand gehabt und dann achtlos irgendwohin geworfen hatte. Maya hatte sich währenddessen mit der Fußbank begnügen müssen, die sie sich aber an das behaglich prasselnde Feuer gerückt hatte, einen Beistelltisch mit Tee und Gebäck neben sich. Immer wieder unterbrach sie ihre Lektüre, sah über die Buchseiten hinweg ihrer Schwester zu und freute sich still an deren glückseliger Geschäftigkeit.
Von ihrem alten Zwist war längst nichts mehr zu spüren. »Weißt du, Maya«, hatte Angelina ihr bei einem Spaziergang durch die Stadt in vertraulichem Ton zugeflüstert, »Durchbrennen ist zwar furchtbar romantisch – aber es geht nichts über ein richtig großes Fest zur Hochzeit!« Das war das Einzige, was Angelina noch zu Mayas Eheschließung mit Ralph gesagt hatte.
Maya dachte oft, dass die Oberflächlichkeit, mit der Angelina ihr Leben und ihre Mitmenschen betrachtete, auch ein Segen sein konnte. Wer nicht hoch flog auf den Schwingen der Liebe, konnte auch seine Federn nicht an der Sonne versengen und im freien Fall zu Boden stürzen. Angelinas heftige und meist nur kurz anhaltende Anfälle von Verliebtheit hatten ihre Schwester immer an ein kleines Mädchen erinnert, für das eine Puppe das höchste Glück darstellte; dessen Welt zerbrach, wenn das Spielzeug einen Arm oder ein Auge verlor, und das sogleich jede Träne wieder vergessen hatte, war dieses repariert oder durch ein neues ersetzt. So hatte auch eine ganze Reihe von galanten Gentlemen Ralph aus Angelinas Gedächtnis verdrängt, kaum dass der Sommer, in dem er mit Maya durchgebrannt war, vorüber gewesen war. Und da Angelina keinen Zweifel daran hegte, mit William Penrith-Jones den besten aller Männer erwählt zu haben, bestand nach ihrer ganz eigenen Logik nun auch kein Grund mehr, ihrer älteren Schwester zu grollen.
Maya wiederum besaß nun ihre eigenen Erfahrungen, was das Kommen und Gehen der Verliebtheit anging, wie der starke Wellengang dieses Ozeans abebbte, die Fluten sich zurückzogen und eine Wüste hinterließen, in der nichts mehr wuchs. Drei Männer waren in ihr Leben getreten, jeder zu seiner Zeit, hatten Mayas Herz und Verstand erobert, und zwei davon waren
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