Unter dem Safranmond
wieder gegangen. Ralph jedoch war geblieben, bemüht, in der Wüste einen Brunnen zu graben, lebensspendendes Wasser zu Tage zu fördern und einen Garten in dem Staub anzulegen, zu dem ihre Ehe geworden war. Er schrieb zärtliche Briefe, in denen er ihr jubelnd den Fall von Sebastopol nach einem Jahr Belagerung und den Abzug der russischen Truppen von dort mitteilte, so wie die seiner Einschätzung nach für ihn günstig verlaufene Anhörung in London. Maya hatte zu ihrer eigenen Überraschung echte Freude empfunden, als er vergangene Woche auf einen kurzen Besuch in Black Hall erschienen war, in den Armen ein üppiges Bouquet lachsfarbener Rosen. Vielleicht war doch noch nicht alles verloren – vielleicht würde sie ihn wieder lieben können. Irgendwann.
»Blasslila«, drang Angelinas Stöhnen in ihre Gedanken, und Maya wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Schwester zu, die ein Quadrat Seidentaft in dieser Farbe hochhielt und gleich darauf mit der anderen Hand ein weiteres Stoffmuster aufnahm. »Blasslila und mausgrau! Mutter besteht darauf, dass ich mich bis zur Verlobung noch in Halbtrauer kleide! Beide Töne erschlagen meinen Teint! Nur mit Weiß darf ich sie ergänzen – aber ein weißer Kragen sieht gleich fürchterlich bieder aus!« Mit unglücklicher Miene warf Angelina die beiden Stoffstücke wieder vor sich auf den Boden.
Maya lachte. »Mr. Penrith-Jones wird gewiss nicht sogleich die Verlobung lösen, wenn er dich ein paar Monate in Farben zu Gesicht bekommt, die dir deiner Meinung nach nicht stehen! Noch vor dem Frühjahr darfst du dann ja wieder alles tragen, was du willst.«
»Und ob ich das werde!« Angelinas blaue Augen funkelten wie Saphire, als sie eine der Zeitschriften aufnahm und mit erhobenem Zeigefinger daraus deklamierte: »›In Seide werden satte, dunkle Töne unter den modischsten Farben des nächsten Jahres sein.‹« Begeistert wedelte sie mit einem granatroten Stoffflicken. »Dann wird es auch nicht mehr heißen, ich sei zu jung für schwere Seide und sollte mich mit Organza begnügen. Auch nicht, dunkelrot sei unanständig für unverheiratete Ladys!« Sie zog ihre Stirn in grüblerische Falten, ließ das Magazin fallen und wühlte mit beiden Händen in dem Stoffberg vor sich, bevor sie ein weiteres Muster hochhielt. »Schau mal, diese Nuance gibt es auch in Samt. Wäre doch ebenfalls hübsch, findest du nicht?« Bevor Maya sich dazu geäußert hatte, war Angelina schon vom Boden aufgestanden und mit einem weiteren Magazin in der Hand zu ihr getreten. »Und so in etwa stelle ich mir mein Brautkleid vor.« Aufgeregt tippte sie auf eine der beiden in detaillierten Zeichenstrichen und zarter Kolorierung abgebildeten Frauengestalten. »Mutter findet, zehn Reihen Volants genügten vollauf. Aber wieso sollte ich mich mit zehn bescheiden, wenn doch mindestens zwölf auf so einen immensen Rock passen? Ich heirate schließlich nur einmal, da darf es doch ruhig alles an Schleifen und Spitze sein, was möglich ist!«
»Mutter wird schon nachgeben«, munterte Maya sie auf. »Und ein, zwei Worte deines lieben Williams, der dir ohnehin jeden Wunsch von den Augen abliest, werden das ihre dazu beitragen!«
Es machte Maya glücklich zu sehen, wie eine Spur früheren Glanzes in Marthas sonst so tote Augen zurückgekehrt war, seit es in diesem Haus eine Verlobungsfeier mit anschließender Hochzeit vorzubereiten galt. Feste zu organisieren, eine Balance zwischen gutem Geschmack und gesellschaftlich vorgeschriebenem Reglement zu finden waren von jeher die Stärken ihrer Mutter gewesen, und sie fand sichtlich Gefallen daran, Musterkataloge durchzusehen und gemeinsam mit Angelina Listen zu erstellen, was an Tisch- und Bettwäsche benötigt werden würde, an Leintüchern, Porzellan und Silber, Menüs zu planen und sich Gedanken zu machen, wen man an Verwandten und Freunden auf die Einladungsliste setzen sollte.
»Du könntest auch etwas Neues gebrauchen«, stellte Angelina nüchtern fest, als sie mit neu geschärftem, modebewusstem Auge ihre Schwester betrachtete.
»Weshalb?« Maya blickte kurz auf ihr altes marineblaues Wollkleid mit den weißen Manschetten hinab. Da Maya von jeher gedeckte bis düstere Farbtöne bevorzugt hatte, hatte Martha ihr erlaubt, die kommenden Monate der Halbtrauer auf ihre schon bestehende Garderobe in dunklem Blau und Braun zurückzugreifen, anstatt sich neue Kleider anfertigen zu lassen. Was einen Protestschrei Angelinas zur Folge gehabt hatte, den ihre Mutter aber mit
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