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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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und zu, als täte sie sich schwer, die Tragweite dieser Ankündigung zu erfassen. Sie stellte ihre Tasse ab, um sie gleich darauf wieder aufzunehmen, und räusperte sich dezent. »Mein gespaltenes Verhältnis zu deiner Frau Mutter in allen Ehren – aber selbst ich kann mir nicht vorstellen, dass sie euch Mädchen derart verquer erzogen hat! Die Zeugung eines Kindes ist doch beileibe kein Akt der Sünde! Wo kämen wir denn da hin, wenn dem so wäre … – Weiß es dein Ralph schon?«
    Maya schluckte krampfhaft, als steckte ein Kloß in ihrer Kehle fest, schüttelte beschämt den Kopf, hob dann erst die Augen an und sah ihrer Tante unverwandt ins Gesicht.
    »Es ist nicht seines.«
    Die Lippen ihres Gegenübers formten ein stummes »Oh«. Nachdenklich nahm sie mehrere tiefe Schlucke. »Bist du sicher?«
    »Ganz sicher.« Bereits in Aden hatte Ralph zaghafte Annäherungsversuche unternommen, die sie aber ausnahmslos abgewehrt hatte, mal zornig-heftig, mal verlegen-schamhaft. Nun wünschte sie, sie hätte es geschehen lassen. Es wäre verlogen gewesen, aber es hätte sie gerettet. Hätte. Würde. Wenn.
    Ihre Tante nickte, betrachtete den Rest Tee in ihrer Tasse, bevor sie ihre Nichte wieder ansah. »Möchtest du mir davon erzählen?«
    Dessen bedurfte es keiner weiteren Aufforderung. Als hätte sie damit einen Damm zum Bersten gebracht, stürzte alles aus Maya heraus, was sie bislang niemandem hatte anvertrauen können. Wie ihre Ehe mit Ralph, die so romantisch begonnen hatte, in der Hitze Adens verwelkt war, dass sie deshalb nie geschrieben hatte. Ihre Entführung, ihre Reise nach Ijar, die Zeit im Sultanspalast, Rashads tollkühner Plan, sie aus der drohenden Gefahr dort in Sicherheit zu bringen. Und die beiden Nächte. Maya hielt nur inne, um sich die trocken geredete Kehle mit einem Schluck längst erkalteten Tees anzufeuchten. Sie nahm nicht einmal wahr, wie es dunkelte, Betty hereinschlich, um die Vorhänge zuzuziehen, die Lampen zu entzünden. Und als diese sah, dass Bedarf bestand, platzierte sie kommentarlos einen Stapel geplätteter und säuberlich zusammengefalteter Taschentücher auf der Armlehne des Sofas.
    Pling. Die Uhr aus Mahagoni und Messing verkündete, dass die erste Stunde der Nacht bereits vorüber war. Zusammengeknüllt und vollgesogen mit Tränen verteilten sich die Tücher auf dem Tisch, der Sitzfläche des Polsters, auf dem Boden, als hätte im Salon gerade eine Schneeballschlacht stattgefunden. Maya rieb sich mit dem letzten verbliebenen über das verschwollene, rotgeweinte Gesicht, noch von den letzten Schluchzern durchgerüttelt, die nur unwillig abflauten, und putzte sich lautstark die triefende Nase.
    Armes Kind , dachte Tante Elizabeth und ließ den Cognac, dessen Stärkung sie recht bald benötigt hatte, im Schwenker kreisen. Hast so viel Schweres die Zeit über mit dir herumgetragen!
    »Ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen«, hörte sie ihre Nichte flüstern.
    Seufzend erhob sich Tante Elizabeth und ließ sich schwer neben der jungen Frau nieder, fasste diese unter das Kinn und kraulte ihr die Kieferlinie. »Nein, Maya. So, wie du mir alles geschildert hast, wünschst du dir das keineswegs. Es ist jedoch hart, mit den Folgen leben zu müssen.« Sie tätschelte Maya die Wange und nahm dann ihre Hände, die das feuchte Taschentuch umklammert hielten. »Siehst du … wenn einen die Liebe trifft, ist man machtlos. Da gibt es nichts zu bereuen und keine Vorwürfe zu erheben. Doch ob man diese Liebe auch tatsächlich leben kann – das steht auf einem ganz anderen Blatt.«
    »Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll«, schluchzte Maya und rieb sich über die Schläfe, an der ein paar lose Haarsträhnen klebten.
    »Überlegen wir mal Schritt für Schritt.« Ächzend erhob sich ihre Tante ein wenig, langte nach dem noch vollen Glas und ließ sich wieder in das Sofa fallen. »Zuerst solltest du dir im Klaren darüber sein, ob du das Kind haben willst. Fünfter Monat … ist spät, aber nicht zu spät. Ich habe eine Bekannte, deren Cousine hatte eine Tochter, die kennt …« Sie brach ab, als sie sah, wie Maya unentwegt den Kopf schüttelte und sich ihre Hand vor ihrem Unterbauch verkrampfte.
    »Nein, Tante, das kann ich nicht tun!«
    Tante Elizabeth lächelte in sich hinein. Das ist meine Maya! , dachte sie und sagte: »Du kannst gerne hierbleiben, es zur Welt bringen, und dann suchen wir ihm einen Platz. Unser Pastor von St. Mary’s kennt bestimmt einen Amtskollegen, der …«
    Maya

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